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Sauerkraut – Powerkraut

Wilhelm Busch verlieh 1865 in seinem Werk «Max und Moritz» dem Sauerkraut literarisch Unvergänglichkeit: Die Witwe Bolte, den Reim kennt jedes Kind,  ging in den Keller, «dass sie von dem Sauerkohle eine Portion sich hole …» und «…wovon sie besonders schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt.»

Sauerkraut ist nichts anderes als fein gehobelter Weisskohl, der mit Salz eingestampft und durch Milchsäuregärung haltbar gemacht wird. Überall auf dem Globus unternahmen Bauern Versuche zur Verbesserung bestehender Gemüsearten. Der kälteresistente Weisskohl oder -kabis blieb keine Ausnahme. Seine Hauptsaison war ursprünglich von Juli bis November. Heutzutage wird er ganzjährig frisch angeboten und schenkt uns pikanten Salat im Sommer, Sauerkraut im Winter und zahlreiche Variationen zwischendurch. Angebaut wird er überwiegend in Frankreich, den Niederlanden, Deutschland, Polen und China.

Schon Kohl alleine vermag als natürliches Heilmittel so einiges: Wunden heilen besser, wenn man regelmässige Auflagen mit den grossen, äusseren Blättern aller Kohlarten macht. Diese Prozedur eignet sich auch gut bei Quetschungen, Geschwüren, Entzündungen, schmerzenden Gelenken, Rheuma und sogar bei Gürtelrose.

Sauer macht haltbar

Das Haltbar machen von Lebensmitteln durch natürliche Säuerung ist eines der ältesten Verfahren  zur Konservierung von Gemüse. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird Sauerkraut industriell produziert: Nachdem die Kohlköpfe geerntet sind, werden ihre grünen Blätter entfernt, die Köpfe gereinigt und der Strunk maschinell herausgebohrt. Dann werden die Köpfe in Streifen geschnitten und in Gärbecken transportiert. Grosse Gärsilos mit einem Fassungsvermögen von sechs Tonnen haben die alten Holzfässer längst abgelöst. Darin wird nach Zugabe von Kochsalz alles luftdicht verschlossen und dem Gärprozess – vom Weisskohl oder -kabis zum Sauerkraut – steht nichts mehr im Wege. Für Weinsauerkraut wird noch Weissweinessig beigefügt. Die Gärung dauert dann vier bis sechs Wochen.

Power für den Winter

Die Inhaltsstoffe dürfen sich sehen lassen: Das saure Kraut verfügt über reichlich gesunde Milchsäure, die Vitamine A, B1, B2 und K und Mineralstoffe (Kalium, Kalzium, Magnesium). Als inländisches Kohlgemüse ist es eine bedeutsame winterliche Vitamin C-Quelle. Mit einer normalen Portion – etwa 200 Gramm – wird bereits der halbe Tagesbedarf eines Menschen an Vitamin C abgedeckt. Und dieser Schatz kann ohne Bedauern genossen werden, denn 100 Gramm enthalten nur schüchterne 17 Kilokalorien! Kein Wunder hat Sauerkraut den Spitznamen «Powerkraut».

Asia-Küche

Wie wohl die Italiener nicht «ihre» Pasta erfunden haben, «gehört» Sauerkraut auch nicht wirklich den Deutschen, obschon es nicht erst seit Wilhelm Busch zu den Nationalgerichten mit dem grössten Bekanntheitsgrad zählt. Es lässt sich nicht bestreiten: Sauerkraut haften asiatische Züge an.

Als vor über 2000 Jahren die grosse chinesische Mauer errichtet wurde und die tapferen Arbeiter ständig ihre tägliche Portion Reis vorgesetzt bekamen, begannen sie, statt zu meutern, diesen mit saurem Kraut «aufzupeppen». Talent und Verzweiflung schufen wohl ein recht leckeres Rezept, das sich der grosse Mongolenkrieger Dschingis Khan bei seinem Überfall auf China nicht entgehen liess. Durch dessen ausgedehnte Eroberungszüge wiederum wurde das leckere, zudem praktische Kraut auch in Europa bekannt, und im 13. Jahrhundert verbreiteten wandernde Mongolenstämme das chinesische «Suan cai».

Sauerkraut weltweit

Die erste schriftliche Erwähnung über das Einlegen von Kohl in Ölkrügen ist römischer Herkunft. Elsässische Klosterbrüder stellten Sauerkraut im 15. Jahrhundert als Fastenspeise her, angereichert mit den unterschiedlichsten Gewürzen, derer sie habhaft werden konnten. In den osteuropäischen Küchen durfte Sauerkraut als Beilage oder Hauptzutat nicht fehlen. Es wird vermutet, dass die Juden, welche es frühzeitig hoch schätzten, für die weitere Verbreitung nach Westeuropa verantwortlich gemacht werden dürfen. Kohl im Allgemeinen galt lange Zeit nur als deftige, preiswerte Hausmannskost. Erst in unserer Zeit wurde das Gemüse auch von der «feinen Küche» entdeckt. Behilflich dabei war der wissenschaftliche Befund, dass Kohl zu den gesündesten Nahrungsmitteln zählt.

Das Kraut der Seefahrer

Unter harten Lebensbedingungen wird die Ernährung zur obersten Priorität, ja zur medizinischen Grundversorgung. Fehlt es an frischem Obst und Gemüse, folglich an genügend Vitamin C, ist Sauerkraut der ideale Ersatz. Vitamin C schützt vor Skorbut, einer der schlimmsten Plagen der Seeleute.

Ganz ein Mann der Aufklärung, machte der britische Kapitän James Cook nicht nur imposante Expeditionen, sondern stellte auch als erster fest: «Das Sauerkraut schafft alle Krankheiten aus dem Darm und aus dem Körper. Es ist ein lebensrettendes Mittel für die Seefahrer!»

Ihm fiel auf, dass Matrosen, die brav genügend rohes Sauerkraut vertilgten, widerstandsfähiger und nach langem Einsatz weniger entkräftet waren – und sie entwickelten keinen Skorbut. So gab es für ihn keinen Pardon: Jeden Seetag hatten seine Männer ihre Ration von drei bis vier Esslöffeln zu knabbern. Nach modernen Erkenntnissen lag er mit dieser von ihm verordneten Menge goldrichtig.  Seine Haltung aber war unerbittlich: Fühlte sich einer so gar nicht danach, wurde er unmissverständlich mit Peitschenhieben «überzeugt».

Spätere Seefahrerberichte bezeugen, dass Sauerkraut nicht nur Skorbut fern hielt, sondern auch bei Blähungen und infektiösen Magen- und Darmerkrankungen half. Der Smutje konnte glänzen, wenn er das Kraut mit diversen Gewürzen zubereitete, damit es nicht ganz so herb zu schlucken war. Noch heute beliebt sind Thymian, Majoran, Senfkörner oder Wacholderbeeren.

Immer noch gesund

Schon für Hippokrates stand die gesundheitsfördernde Wirkung des Sauerkrautes bereits zweifelsfrei fest.

Auch Pfarrer Sebastian Kneipp war von dessen Qualitäten überzeugt, empfahl aber anders als Kapitän Cook «diesen reinigenden Besen des Darms» nur mit Lobesworten, nicht mit Schlägen.

Sauerkraut tut dem Darm allerdings Gutes: Es wirkt darmreinigend und entschlackend. Dabei tut sich die auf die Darmflora gesundheitsfördernd einwirkende Milchsäure hervor, der Wirkstoff Acetylcholin verstärkt die Darmbewegung. Für die gute Verträglichkeit sorgt, dass die Pflanzenzellulose des Krautes durch die Milchsäuregärung bereits stark erweicht ist. Gründliches Kauen ist dennoch ein zusätzlicher Gewinn.

Sauerkraut ist basisch

Kaum zu glauben bei dieser Säure, aber Sauerkraut ist durch und durch basisch, was bei der häufig auftretenden Übersäuerung in unserer Zivilisation mehr als willkommen ist. Konsequenterweise ist zu empfehlen: Statt das nächste Mal wegen einer Person oder Situation «die Wände hochzugehen» und damit  körperlich buchstäblich «sauer» zu werden, geniesse man doch etwas fein zubereitetes Sauerkraut oder auch Sauerkrautsaft und lasse den Ärger an sich abprallen.

Autorin: Katja Chmelik

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