Plötzlich ist sie da, die Gier auf Essen! Sich zurückzuhalten scheint schier unmöglich! Das erleben viele Frauen gerade zu Beginn der Wechseljahre oft sogar täglich. Besonders ärgerlich, denn in dieser Phase neigt ein Grossteil der Frauen ohnehin dazu, ungewollt zuzunehmen. Schuld an den Heisshunger-Attacken ist das Ungleichgewicht im Hormonhaushalt. Doch es gibt trotzdem Möglichkeiten, den Appetit-Anfällen wirksam gegenzusteuern.
Autorin: Annette Willaredt
In den Wechseljahren stellt sich der Hormonhaushalt langsam um. Das verläuft allerdings nicht ganz gleichmässig. Besonders zu Beginn dieser Phase treten nicht selten stärkere Schwankungen auf. Finden keine Eisprünge mehr statt, kommt es zu einem Progesteronmangel. Auch die Produktion von Östrogenen geht jetzt nach und nach zurück. Diese beiden weiblichen Hormone sind dadurch über einige Zeit im Ungleichgewicht. Nun ist aber vor allem das Östrogen auch an der Bildung verschiedener Botenstoffe im Gehirn beteiligt. Diese Substanzen, zu denen z.B. Serotonin und Dopamin gehören, haben grossen Einfluss auf unser seelisches Gleichgewicht. Fehlt Östrogen, entsteht also ein Mangel und wir werden reizbar, misslaunig oder sogar depressiv. Das will der Körper umgehen. Er verlangt deshalb nach Stoffen, die ihn quasi wieder glücklich machen. Bei vielen Menschen sind das Naschereien.
Der Wunsch vor allem nach Süssem in solchen Situationen hat zwei Gründe. Der eine ist in der Psyche begründet. Viele bekamen schon als Kind zur Belohnung oder zum Trost ein Stück Schokolade oder Kuchen. Sind wird seelisch etwas niedergedrückt, ist da dann auch im Erwachsenenalter plötzlich ein Heisshunger auf Süsses. Doch es gibt auch einen Auslöser, der rein körperlich ist. Der etwas komplizierte Zusammenhang: Wie gesagt, brauchen wir den Botenstoff Serotonin, um uns seelisch wohlzufühlen. Damit der Körper diese Substanz herstellen kann, ist die Aminosäure Tryptophan nötig. Sie muss allerdings ins Gehirn gelangen und das klappt nur, wenn ausreichend Kohlenhydrate vorhanden sind. Kann der Körper auf keine Reserven zurückgreifen, entsteht eine plötzliche Lust auf etwas Süsses.
Doch wer auf Heisshunger mit dem Konsum von Süssigkeiten oder Weissmehlprodukten wie einem Teller Pasta begegnet, hat schnell ein neues Problem. Ob Schokolade, Kuchen, Nudeln oder Kekse – Lebensmittel mit einfachen Kohlenhydraten können vom Organismus schnell aufgespalten werden. Der so entstehende Zucker gelangt sofort ins Blut, der Blutzuckerspiegel steigt stark an und wir fühlen uns kurzfristig satt und zufrieden. Allerdings muss die Bauchspeicheldrüse jetzt viel Insulin ausschütten, um den Zucker wieder aus dem Blut zu bekommen und in die Zellen zu schleusen. Weil Süssigkeiten, Kuchen und Co. meist hauptsächlich Zucker und Fett, aber keine weiteren, wichtigen Nährstoffe enthalten, ist der Zucker im Blut schnell verbraucht. Der Blutzuckerspiegel sinkt wieder zügig ab und das sorgt leider für die nächste Heisshunger-Attacke.
Es ist also tatsächlich oft der Körper, der Hunger meldet, auch wenn wir objektiv gesehen gar keine Nahrung brauchen. Die ganzen hormonellen Regelkreise, die in den Wechseljahren ohnehin durcheinander sind, werden zusätzlich gestört, wenn man unter Stress steht oder zu wenig Schlaf bekommt. Und Frauen in den Wechseljahren leiden oft unter Stress. Die ganzen körperlichen Veränderungen belasten sie. Dazu kommt häufig ein anstrengender Beruf, vielleicht gehen die Kinder aus dem Haus und man muss sich von ihnen abnabeln oder es gibt pflegebedürftige Eltern. Alles Dinge, die einen zusätzlich stark unter Druck setzen können. Und mit dem guten Schlaf ist es in dieser Lebensphase auch oft schlecht bestellt. Nächtliche Schweissausbrüche und eine ständige innere Unruhe sorgen bei vielen dafür, dass sie oft nicht ausgeruht aufwachen. Am Tag kann das dann dazu führen, dass man plötzlich riesigen Appetit hat und deutlich mehr isst als man eigentlich benötigt.
Frauen, die plötzlich unter Heisshunger-Anfällen leiden, sollten vorsichtshalber zum Arzt gehen. Es kann sich dahinter auch eine Störung der Schilddrüsenfunktion verbergen. Ein Bluttest bringt schnell Klarheit. Auch eine beginnende Diabetes-Erkrankung kann Hunger-Attacken auslösen. Dies kann der Arzt ebenfalls mit einer Blutuntersuchung überprüfen.
Doch die meisten Frauen, die unter den Appetit-Anfällen leiden, sind gesund. Um die Attacken auszubremsen und nicht übermässig zuzunehmen, gibt es einige Tricks.
Auf lange Sicht ist es zudem ratsam, die Ernährung umzustellen. Um keinen Heisshunger zu provozieren, sollte man Lebensmittel mit einfachen Kohlenhydraten möglichst streichen. Dazu gehören neben Süssigkeiten alle Weissmehlprodukte wie Kuchen, Nudeln, helles Brot etc. Man kann sie mit Vollkornprodukten ersetzen. Deren Zucker wird vom Körper nur langsam zerlegt. Der Blutzuckerspiegel steigt nicht plötzlich stark an und er bleibt lange stabil. Zum zweiten sollte man auf eine Ernährung mit vielen Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen setzen. Denn manchmal ist Heisshunger auch ein Schrei des Körpers nach Nährstoffen. Und den sollte man nicht mit einem Schokoriegel, sondern mit Vitaminen beantworten.
Eine gute Versorgung lässt sich erreichen, wenn man viel frisches Obst und Gemüse verzehrt. Eine wertvolle Ergänzung sind hochwertige Pflanzenöle. Dazu kommen eiweisshaltige Nahrungsmittel wie mageres Fleisch, Fisch oder Milchprodukte. Der Grund: Eiweiss sättigt lange. Und zu guter Letzt: Um Heisshunger aus dem Weg zu gehen, sollte man möglichst oft Tageslicht tanken. Die Produktion von Botenstoffen wie dem „Glückshormon“ Serotonin wird durch Licht angekurbelt. Regelmässiges Rausgehen, am besten in der Mittagszeit, kann den Rückgang dieses Botenstoffes durch den Östrogenmangel in den Wechseljahren ausgleichen.