Das einzigartige Aroma der getrockneten Knospen des tropischen Gewürznelkenbaums bereichert süsse und pikante Gerichte. Geschätzt in der europäischen, asiatischen und afrikanischen Küche, haben Gewürznelken auch heilende Eigenschaften.
Nahezu die Hälfte der weltweiten Ernte von Gewürznelken wird in Indonesien verbraucht. Aber nicht als Küchengewürz und auch nicht als Heilpflanze. Nein, sie wird gepafft. Denn in ganz Indonesien sind Nelken-Zigaretten (Kretek) sehr populär. Sie enthalten neben Tabak zwischen 30 und 40 Prozent geschrotete Nelken und, je nach Hersteller, in den Filtern verschiedene «Saucen» aus getrockneten Früchten, Ahornzucker, Zimt, Vanille, Schokolade oder Kaffee. Ein vor fünf Jahren im gesamten Stadtzentrum von Jakarta ausgesprochenes Rauchverbot verlief, trotz Androhung hoher Geld- und Haftstrafen, schnell im Sande. Es wird gequalmt wie eh und je, und der süsslich-würzige Nelkengeruch hängt überall: in Ämtern, Büros, Bussen, Schulen, modernen klimatisierten Einkaufszentren und sogar in Krankenhäusern.
Die indonesische Kretekindustrie ist mit Millionen von Beschäftigten der zweitgrösste Arbeitgeber und sorgt für fast ein Zehntel aller Steuereinkünfte.
Ursprünglich kamen Gewürznelkenbäume (Syzygium aromaticum, früher auch Eugenia caryophyllus) ausschliesslich auf den Molukken vor, ebenso wie die Muskatnussbäume, was der indonesischen Inselgruppe den Beinamen «Gewürzinseln» einbrachte.
Die engere Heimat der Bäume waren die beiden kleinen Vulkaninseln Ternate und Tidore.
Gehandelt wurden die Gewürznelken schon in der Antike. Wie Dr. Gernot Katzer auf seinen Internet-Gewürzseiten mitteilt, sind die frühesten gesicherten Hinweise auf den Nelkenhandel zwischen Molukken-Inseln und China etwa 2500 Jahre alt.
Ab dem 16. Jahrhundert ist der Nelkenhandel auch die Geschichte der Kolonialisierung des Inselarchipels. Der Kampf um Ternate und Tidore – bzw. den lukrativen Nelkenhandel – ging ab 1512 zwischen Portugiesen und Spaniern hin und her, bis die Niederländer 1663 auf beiden Inseln die Oberhand erobert hatten. Sie setzten ihr Monopol auf die «Krautnägel» (kruid-nagels) besonders aggressiv und grausam durch.
So liessen sie alle Bäume auf den kleinen Inseln fällen und konzentrierten den Anbau auf der Insel Ambon und wenigen benachbarten Inseln, um das Monopol – und damit die enormen Gewinne – besser sichern zu können. Das Pflanzen andernorts und die Ausfuhr von Nelkenbäumen wurden mit dem Tode bestraft.
Dennoch gelang es um 1769/1770 dem Franzosen Pierre Poivre, dem streng gehüteten Monopol den Garaus zu machen. Er organisierte den Raub und Schmuggel von Nelkenbaumsetzlingen und -samen und trieb den Anbau auf den Inseln Mauritius und La Réunion voran. Von dort gelangten die Gewürznelkenbäume später auch nach Madagaskar, Sansibar und auf die Seychellen.
Gewürznelken, lat. Syzygium aromaticum
Die zu den Myrtengewächsen gehörenden, immergrünen Gewürznelkenbäume mit ihren ledrigen Blättern und den kleinen rosafarbenen Blüten können bis 20 Meter hoch wachsen, auf Plantagen werden sie meist kleiner gehalten. Die Bäume wachsen nur in den Tropen und brauchen das Meeresklima.
Sansibar und die Insel Pemba, die zu Tansania gehören, waren im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts die grössten Produzenten. Inzwischen hat Indonesien wieder den ersten Platz und produziert bis zu 80 Prozent der weltweiten Menge. Auch Madagaskar und La Réunion exportieren nach wie vor Nelken. In Asien sind die Anbaugebiete – neben Indonesien – Indien, Malaysia (Penang) und Sri Lanka. Im Westen sind Brasilien, Guyana und die Antillen die Lieferanten.
Bevor sich die stark duftenden Blüten zu kleinen Pinseln aus weissen Staubfäden öffnen, werden die Knospen mit der Hand gepflückt oder mit Bambusstöcken vorsichtig aus den Bäumen geschlagen. Anschliessend werden sie einige Tage auf Matten in die Sonne zum Trocknen gelegt, wobei die gelbliche oder rosa/pink Knospenfarbe zu braun wechselt.
Die beste Qualität kommt von den Molukken. Diese Nelken sind hellbraun, gross und ölhaltig. Afrikanische Nelken sind dunkler, die besten Qualitäten können jedoch mit den indonesischen Nelken mithalten. Die geringste Qualität wird auf den Antillen und Guyana produziert; amerikanische Nelken besitzen einen niedrigen Ölgehalt und gelten als minderwertig. Leider werden die Herkunftsländer selten angegeben.
Schon äusserlich kann man die Qualität ermessen: minderwertige Ware sieht runzlig und staubig aus und hat oft die Köpfchen verloren. Hochwertige Nelken oder Nägeli, wie man vielfach sagt, sehen prall aus und bestehen den Schwimmtest: Sie sinken nach unten oder halten sich aufrecht, mit dem Köpfchen nach oben, im Wasser. Schlechte (entölte) Qualitäten schwimmen waagerecht im Wasser.
Alle Teile der Pflanze enthalten das stark aromatisch und süsslich duftende ätherische Öl, jedoch in sehr unterschiedlicher Konzentration. Je mehr ätherische Öle die Nelken enthalten, desto besser ist die Qualität. Sie sind – neben den fetten Ölen, Gerb- und Bitterstoffen – bestimmend für Geruch, Geschmack und Wirkung.
Der Anteil ätherischer Öle kann mehr als 15 Prozent ausmachen. Davon entfällt die grösste Menge mit 70 bis 95 Prozent auf das Eugenol, das eine leichte, lokal betäubende Wirkung hat. Nelkenöl wirkt daher schmerzstillend sowie desinfizierend, entzündungshemmend und bremst das Wachstum von Pilzen, Bakterien und Viren.
Die Verwendung von Eugenol hat eine lange Tradition in der Zahnmedizin. Ausserhalb der Zahnarztpraxis ist es mancherorts Brauch, bei Zahnschmerzen Nelkenköpfchen zu kauen (die Stiele sind bitter) oder in den hohlen Zahn zu legen, was (vorübergehend) hilft.
Es wird behauptet, im alten China durfte sich ein Höfling dem Kaiser nur mit einer Nelke im Mund nähern, um etwaigen Mundgeruch zu übertünchen. Denn: Nelken machen einen guten Atem, was man heute noch in vielen Knoblauch liebenden Ländern weiss.
Bei Erkältung und Husten tun einige Tropfen Nelkenöl in heissem Wasser beim Inhalieren gut.
Zusammen mit Caryophyllen, einem weiteren ätherischen Öl, entspannt Eugenol Muskelgruppen im Bereich des Darmes und der Atemwege. So kann die Gewürznelke bei Erkrankungen der Atemwege wie Husten und Asthma sowie bei Unterleibskrämpfen und Verdauungsstörungen hilfreich sein.
Ausser bei Darmkrämpfen und Infekten der Atemwege empfiehlt sich Nägelitee auch bei leichten rheumatischen Beschwerden: Einen halben Teelöffel Nelken mit einer Tasse kochendem Wasser übergiessen, nach 10 Minuten abseihen und täglich zwei bis vier Tassen trinken.
Nelkentinktur ist häufig ein Bestandteil traditioneller Magen- oder Stärkungsmittel, verschiedener Melissengeistrezepturen und Kräuterliköre.
Nelkenöl – die beste Qualität wird aus den Blüten gewonnen, weniger gute aus Blättern oder Stielen – sollte stets sehr sparsam oder mit anderen Ölen verdünnt verwendet werden, denn reines Nelkenöl kann gewebeschädigend sein. Am besten lassen Sie sich in der Apotheke oder Drogerie beraten.
Schwangere sollten Nelkenzubereitungen weder einnehmen noch als Massageöl oder in der Duftlampe verwenden, da sie die Uterusmuskulatur anregen und (vorzeitige) Wehen auslösen können.
Nelkenöl dient als Duftstoff in Parfüms, Seifen oder Zahncremes. Früher war es auch ein wichtiger Ausgangsstoff für die Herstellung synthetischen Vanillins.
Einige ganze Nelken aromatisieren Reis, Rotkraut (Blaukabis) und Sauerkraut; mit Nägeli gespickte Zwiebeln verleihen Marinaden und Brühen eine besondere Finesse.
Wenige Nelken würzen Fisch-, Fleisch- und Geflügelgerichte, Saucen, sauer eingelegte Gemüse (Mixed Pickles) und Gurken und vertragen sich dabei prima mit Pfeffer, Lorbeer, Piment, Kardamom, Ingwer und Koriander.
In frisch zubereitetem Apfelmus, eingeweckten Birnen, Zwetschgenkonfitüre oder Holunderlatwerge sorgen Nägeli für eine besondere Note und harmonieren mit Zimt, Muskat, Sternanis und Zitrone.
Auch winterliche Heissgetränke wie Fruchtpunsch oder Glühwein kommen nicht ohne Nelken aus.
Ob es sich um das französische Quatre Epices handelt, um chinesisches Fünf-Gewürze-Pulver, indisches Curry und Garam masala, marokkanisches Rasel-Hanout oder arabisches Kaffeegewürz – gemahlene Nägeli sind unentbehrliche Zutaten zahlreicher Gewürzmischungen. Auch der Geschmack der weltbekannten Worcestershire-Sauce ist entscheidend vom Nelkenaroma geprägt.
In süssem Gebäck wie Basler Leckerli, Leb-, Honig- und Gewürzkuchen harmoniert das Nelkengewürz mit Zimt, Macis (Muskatblüte), Ingwer und anderen Zutaten. Sein typisches Aroma verliert Nelkenpulver relativ schnell, spätestens nach sechs Monaten.
Autorin: Ingrid Zehnder