Manchmal sind auch Gemüse der Mode unterworfen. Einige, wie Pastinaken
oder Rauke, erleben wieder eine Renaissance, andere bleiben für immer
auf der Strecke. Wo kann man heute noch Butter- kohl oder Stielmus
kaufen? Ein sol- ches fast vergessenes Gemüse ist auch die
Schwarzwurzel. Autorin: Claudia Rawer, Gesundheits-Nachrichten
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren die aromatischen Stangen hoch geschätzt, wurden dann aber als «Arme-Leute-Spargel» abgewertet und, vielleicht auch der etwas aufwändigen Zubereitung wegen, aus den Küchen verbannt. Erst in den letzten Jahren werden Schwarzwurzeln wieder etwas beliebter. Zu Recht: Das zarte, schneeweisse Wurzelfleisch hat einen ausgezeichneten, würzigen und leicht nussigen Geschmack und erinnert tatsächlich etwas an Spargel oder Artischocken. Sein Nährwert ist hoch, vergleichbar nur mit Erbsen und Bohnen. Dennoch sind Schwarzwurzeln kalorienarm und äußerst bekömmlich.
Spanierin gegen
Schlangenbisse
Schwarzwurzeln sind in Mittel- und Süd- europa heimisch, als ihre ursprüngliche Heimat gilt Spanien. Die Wiesenpflanze wird über einen Meter hoch, ist frosthart und bildet im ersten Jahr die bis zu ei- nem halben Meter lange Wurzel mit schwarz-brauner, korkartiger Schale und im Folgejahr goldgelbe und leicht nach Schokolade duftende Blüten. Wie Artischocke und Chicorée gehört «Scorzonera hispanica» zur grossen Familie der Korbblütler (Compositae).
Lange Zeit war die Schwarzwurzel bei uns nur als Heilpflanzen bekannt: Man sprach ihr heilende Kräfte bei der Pest und bei Schlangenbissen zu. In der Schweiz wurden sie im 16. Jahrhundert auch als Mittel gegen Epilepsie, schwache Augen und Herzkrankheiten verwendet. Erst etwa ab 1700 wurde die schlanke Spanierin als Gemüse angebaut und verdrängte dabei die bis dahin genutzte, botanisch eng verwandte Haferwurzel (Tragopogon porrifolius).
Gerade jetzt bietet das alte Wintergemüse unschätzbare Vorteile. Die Saison geht von Oktober bis April: Schwarzwurzeln werden also den ganzen Winter über frisch geerntet, müssen nicht um die halbe Welt transportiert werden und enthalten daher besonders viele wertvolle Vitamine und Mineralstoffe. Zudem ist importiertes Gemüse gerade im Winter manchmal mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln belastet.
Sie wissen das alles – aber Sie mögen keine Schwarzwurzeln? Manchmal ist das nur die Folge schlechter Erfahrungen oder miserabler Rezepte. Wer den Winterspargel nämlich nur aus dem Glas oder der Dose kennt, in dicker Mehlpampe angerichtet oder lieblos unter einen Salat gemischt, ahnt nicht, wie gut die frischen Wurzeln schmecken und wie vielfältig sie sich zubereiten lassen.
Klassisch werden die zarten Stangen mit Béchamelsauce oder Sauce Hollandaise serviert oder mit Petersilie in heisser Butter geschwenkt. Man kann sie aber auch braten, panieren, in Teig ausbacken und in Aufläufen verwenden.
Herrlich schmecken sie auch mit Parmesan und ein paar Butterflocken bestreut und im Ofen überbacken. Mit Jogurt, Sauerrahm oder Mayonnaise, etwas Zitronensaft, einem Hauch Meerrettich und gehackter Petersilie entstehen aus den Wurzeln köstliche Wintersalate.
Schwarzwurzeln werden gerne als Schonkost empfohlen, bei empfindlichen Menschen können sie in größeren Mengen aber Blähungen auslösen.
Sie enthalten sehr viele Ballaststoffe und sind reich an Vitaminen (Provitamin A, Vitamine B, C, E und die wichtige Folsäure). Sie liefern viel Kalium für Muskeln und Verdauung, reichlich Eisen für das Blut, Kalzium für die Knochen, Mangan für die Leber sowie Phosphor und Kupfer für das Gehirn.
Ihr Milchsaft enthält unter anderem die Glykoside Asparagin und Inulin. Ersteres ist für den spargelähnlichen Geschmack verantwortlich und wirkt entwässernd. Inulin hat leberstärkende Wirkung und wird im Magen in Einfachzucker (Fructose) aufgespalten. Das ist interessant für Diabetiker, da Fructose eine Form von Kohlenhydraten ist, die von Zuckerkran- ken leichter verwertet werden kann.
Schwarzwurzeln im Kühlschrank
Beim Einkauf sollte man darauf achten, dass die Wurzeln fest sind und keine weichen Stellen oder Verletzungen haben. Tritt der Milchsaft nämlich aus, werden sie schnell trocken und verlieren an Geschmack. Sind die Stangen dazu noch gerade und recht fleischig, hat man es beim Schälen leichter. Für vier Portionen berechnet man ein Kilogramm Schwarzwurzeln.
Am besten verarbeitet man sie natürlich ganz frisch. Ungewaschen kann man die Wurzeln aber auch mehrere Tage im Gemüsefach des Kühlschrankes aufbe- wahren, im kühlen Keller halten sie sogar bis zu drei Wochen. Sind die Schwarzwurzeln geschält und drei Minuten blanchiert worden, kann man sie auch bis zu sechs Monate einfrieren.
Keine Angst vor der schwarzen Wurzel! Zugegeben, der Winterspargel macht es einem nicht leicht, sich ihm zu nähern. Auch Schwarzwurzel-Liebhaber zögern durchaus angesichts der vielen Arbeit. An der dicken, schwarzbraunen Rinde klebt meist noch Erde. Rinde und Inneres sind von Röhren durchzogen, aus denen ein weißlicher, klebriger Milchsaft austritt, der an der Luft relativ schnell oxidiert, sich braun verfärbt und schwer zu entfernende Flecken – auch auf der Haut – hinterlässt. Wenn die geschälten Wurzeln an der Luft liegen, werden sie sofort unappetlich braun. Mit etwas Küchen-know-how ist die Vorbereitung aber halb so schlimm.