Die Brennnessel ist nicht nur eine sehr alte Pflanze - was man u.a. an ihren grünen Blüten erkennen kann - sie wird auch seit Urzeiten medizinisch genutzt. Überreste wurden in neolithischen Pfahlbauten in der Schweiz, die aus dem 3. Jahrtausend v.Chr. stammen, gefunden. Auch das Wort „Nessel“ ist sehr alt und geht auf das althochdeutsche „nezzila“ zurück, welches mit dem Wort „Netz“ in Zusammenhang steht. Dieses weist auf die frühere Fasergewinnung zur Herstellung von Nesseltuch hin. Eine Verwandte der Nessel, die Ramie, ist heute noch eine wichtige Faserpflanze. Die alten Griechen nannten die Nessel acalyphe. Der lateinische Name urtica ist von úrere, was „brennen“ heisst, abgeleitet. Dioica heisst zweihäusig.
Auch Dioskurides schätzte die Brennnessel und beschrieb detailliert ihre Anwendung. Der Arzt und Botaniker Otto Brunfels schrieb 1532 in seinem „Contrafayt Kreuterbuch“: “Was ist nichtigeres und verachtlicher oder auch verhasster dann eine Nessel. Was ist holdseliger dann eine Hyacynthus, ein Narcissus, ein Gilgen (Lilie), noch dann übertrifft die Nessel alle samt.“ Lonicerus schrieb, sie sei „hitzig im Anfang des ersten Grades und trocken im anderen“. Sie wirke menstruationsfördernd, erweichend, wind-, stein- und harntreibend, aphrodisisch und werde gegen krebsartige Geschwüre, brandige Wunden, Furunkeln, Geschwülste, Drüsenanschwellungen, Verrenkungen, Nasenbluten, Milzerkrankungen, Brustfell- und Lungenentzündung, Asthma, Hautgrind, Munderkrankungen und Epilepsie eingesetzt. Im 18. Jahrhundert hat man sie erfolgreich bei Wassersucht, allen Arten von Hämorrhagien sowie bei Hautausschlägen eingesetzt. Die Brennnessel spielte auch als „Sympathiemittel“ eine grosse Rolle. Eine beliebte Anwendung war das Schlagen rheumatischeroder gelähmter Glieder mit Brennnesseln, wobei durch das Gift der Nesselhaare eine Hautreizung mit nachfolgendem Erythem und ev. Blasenbildung auftrat.
Die Brennnessel besitzt einen ausdauernden, kriechenden, stark verästelten Wurzelstock, aus dem im Frühjahr ein 30 bis 150 cm hoher Stängel wächst. Er ist vierkantig, unverzweigt und mit kurzen Borsten sowie langen Brennhaaren besetzt. Die Borstenhaare sind einzellig und dickwandig während die Brennhaare eine glasartig spröde Wandstruktur besitzen. Die Spitze der Brennhaare bricht bei Berührung leicht ab und dringt in die Haut ein, wodurch deren Inhalt in die Haut injiziert wird. Die Spitze kann 24 bis 36 Stunden in der Haut verbleiben und Schmerzen verursachen.
Die eiförmig bis länglichen Blätter sind am Stielansatz herzförmig oder abgerundet, am Rande grob gesägt und gegenständig am Stängel angeordnet. Jedes Blatt wird am Stängelansatz von zwei Nebenblättchen begleitet. Die Blütenzweige tragen in der Regel nur männliche oder nur weibliche Blüten, die grosse Brennnessel ist also zweihäusig. Die Blüten sind unscheinbar grün und windblütig. In den weiblichen Blüten findet sich ein oberständiger Fruchtknoten mit grossen, pinselförmigen Narben. Die Frucht ist ein kleines, einsamiges Nüsschen. Die männlichen Blüten enthalten vier eingebogene Staubgefässe, die sich beim Öffnen der Blüten ruckartig aufrichten und dabei den Blütenstaub in Form eines kleinen Wölkchens ausstreuen. Die Blütezeit ist von Juli bis September.
Die brenngiftigere kleine Brennnessel, Urtica urens, ist nicht winterhart und deshalb nur einjährig. Sie wird nur 10 bis 40 cm hoch. Sie ist einhäusig, d.h. die Blütenzweige tragen sowohl männliche als auch weibliche Blüten. Von U. dioica gibt es zahlreiche Varietäten, von U. urens ist dagegen nur eine Varietät bekannt.
Die Brennnessel ist eine kosmopolitisch vorkommende Pflanze, die über die gemässigten Zonen der ganzen Erde verbreitet ist. Sie ist eine Ruderalpflanze, was darauf hinweist, dass sie sich belastete Standorte sucht und diese dann „entgiftet“. Als nitrophile Pflanze folgt sie der menschlichen Kultur und wächst auf gedüngtem resp. mit menschlichen oder tierischen Fäkalien kontaminierten Böden besonders gut. Man trifft sie seltener in der unberührten Natur. Dagegen erkennt man selbst lang vergessene, vom Menschen verlassene Wohn- und Lagerstätten noch an den Brennnesseln, die dort wachsen.
Die Brennnessel, die man auch als Eisenpflanze ersten Grades bezeichnet, reguliert den Eisengehalt des Bodens und beeinflusst damit alle darauf wachsenden Pflanzen positiv. Denn zur Bildung des Chlorophylls, des grünen Pflanzenfarbstoffes, bedarf es der Anwesenheit des Eisens. Die Brenn¬nessel gehört zur Gruppe der lichtsensitiven Pflanzen. Durch den photosynthetischen Apparat ist es ihr möglich, unter stark variierenden Lichtbedingungen zu existieren.
A.Vogel/Bioforce verwendet frische Brennnesseln aus biologischem Anbau zur Herstellung einer Urtinktur, die Bestandteil des A.Vogel Brennnessel-Haarwassers ist. Für Urticalcin (nicht in Deutschland erhältlich) wird Brennnesselkraut zerkleinert, mit Ethanol und Lactose vermischt und schonend getrocknet. Phytotherapeutisch werden neben dem Kraut und den Blättern auch die Wurzeln und die Samen verwendet. In der Homöopathie wird ausschliesslich die kleine Brennnessel, Urtica urens, eingesetzt, für die eine entsprechende Monographie D vorliegt.
Brennnesseln werden ferner als Nahrungsmittel genutzt. Das Chlorophyll wird zur Grünfärbung von Erbsen- und Bohnenkonserven verwendet. In der biologischen Landwirtschaft dienen Brennnesseln als Dünge-, Pflanzenschutz- und Kompostierungsmittel. Die getrockneten Brennnesseln gehören zu den wertvollsten Futtermitteln. Sie werden ausserdem zur Fasergewinnung genutzt.