Unter Glutenunverträglichkeit versteht man eine Autoimmunreaktion (Zöliakie) oder eine symptomatische Reaktion auf bestimmte Getreidesorten wie Weizen, Roggen oder Gerste die viel Gluten enthalten. Zöliakie und Glutensensitivität haben in den letzten Jahren stark zugenommen, über die Ursachen gibt es allerdings verschiedene Theorien.
Autor: Tino Richter, 4.14
Ein Drittel der Europäer meint, bestimmte Lebensmittel wie Milch, Obst oder Brot nicht zu vertragen. Doch der Gang zum Arzt endet meist ernüchternd, denn nur zwei Prozent erhalten auch die Diagnose «Lebensmittelunverträglichkeit». Prominente und leider auch unseriöse Wissenschaftler in den USA haben das pflanzliche Eiweß Gluten als Übeltäter für Krankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck, Migräne und natürlich Krebs ausgemacht.
Obwohl die Zahl der von
Glutenunverträglichkeit Betroffenen insgesamt zehn Prozent nicht
übersteigen dürfte, sprechen Gluten-Gegner von 30 bis 50 Prozent. So
will bereits ein Drittel der US-Amerikaner auf Gluten verzichten oder
dessen Konsum drosseln. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass sich
glutenfreie Lebensmittel weltweit zu einem der wachstumsstärksten
Segmente im Lebensmittelmarkt entwickelt haben.
Gluten ist ein natürliches Klebereiweiss, das in großen Mengen in Weizen und Dinkel, in kleineren Mengen in Roggen, Gerste, Hafer sowie in den mit Weizen verwandten Sorten Kamut und Grünkern vorkommt. Es dient im Reifeprozess des Keimlings als Speicherprotein und stellt diesem Nährstoffe wie Aminosäuren und Eiweiße zur Verfügung. Beim Backen sorgt das Gluten dafür, dass der Teig zusammenhält. Gluten ist aber auch ein Geschmacksträger, weshalb glutenfreien Produkten oft mehr Zucker und Fett zugesetzt werden.
Die Unverträglichkeit von Gluten kann ein breites Spektrum an Symptomen aufweisen, je nach dem ob es sich um eine Zöliakie oder eine Glutensensitivität handelt. Mögliche Leit-Symptome sind:
Weitere Symptome als Folge der Mangelernährung:
«Glutenfrei» heißt, dass der Grenzwert von maximal
20 Milligramm Gluten pro Kilogramm nicht
überschritten werden darf. So kann es vorkommen,
dass bei eigentlich glutenfreien Produkten
wie z.B. Schokolade auf glutenhaltige Zutaten,
beispielsweise modifizierte Stärke, hingewiesen
wird. Diese Zutaten werden jedoch soweit industriell
verarbeitet, dass ihr allergenes Potenzial verloren
geht.
Von Natur aus glutenfrei sind z.B. Reis,
Mais, Quinoa und Buchweizen sowie Kartoffeln,
Früchte, Gemüse, Nüsse, Fleisch, Fisch und Milch. Ein Sonderfall bildet der Hafer.
Zöliakie ist eine angeborene, chronische Verdauungserkrankung (Autoimmunerkrankung, keine Allergie), die zu einer Entzündung der
Dünndarmschleimhaut führt.
Gelangen bei Zöliakie-Patienten im Gluten enthaltene Stoffe in den Dünndarm, reagiert das Immunsystem mit Abwehrstoffen,
welche die Darmzotten angreifen und diese im schlimmsten Fall sogar zerstören können.
Durch die verkleinerte Aufnahmefläche des
Darms wird auch die Aufnahme von Zucker, Fetten,
Aminosäuren und Spurenelementen gehemmt,
was wiederum zu Mangelerscheinungen führen
kann.
Häufig attackieren die Antikörper dann auch
andere Organe, sodass Folge-Erkrankungen wie
Diabetes, Rheuma oder Hautschäden auftreten.
Ohne Therapie können sich auch bösartige Tumore
im Dünndarm oder im Lymphsystem bilden.
Therapie:
Nur eine strikte, lebenslange glutenfreie Diät kann
die Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen
und Durchfall lindern. Die Diagnose wird über Antikörper
im Blut sowie über eine Biopsie aus dem
Zwölffingerdarm ermittelt.
Häufigkeit:
Etwa 0,2 bis ein Prozent der Bevölkerung sind von Zöliakie betroffen, 70 Prozent
davon sind Frauen. Die Zahl der Betroffenen
hat jedoch in den letzten Jahren recht stark zugenommen,
und das, obwohl die Zöliakie ein buntes
Spektrum an Symptomen zeigt.
Weitere Informationen: www.dzg-online.de
Die Glutensensitivität
stellt hinsichtlichder Diagnosestellung eine wahre Herausforderung dar. Denn
dieses Krankheitsbild bezeichnet eine symptomatische
Reaktion auf Gluten, die sich aber von der Zöliakie
wesentlich unterscheidet. Deshalb lautet die
korrekte medizinische Bezeichnung auch Nicht-Zöliakie-
bedingte-Glutensensitivität.
Diagnose:
Die Abgrenzung von der Zöliakie ist für die richtige
Behandlung entscheidend, denn mit einem sporadischen
Verzicht auf Nudeln, Bier oder Pizza kann bei
der Glutensensitivität schon eine Besserung erzielt
werden. Symptome können Blähbauch, Durchfall, Müdigkeit
und Konzentrationsschwierigkeiten sein.
Aufgrund der Ähnlichkeit der Symptome mit anderen
Unverträglichkeiten wie z.B. Laktose- und Fruktoseintoleranz,
bisher nur über ein langwieriges
Ausschlussverfahren ermitteln lässt.
Zunächst müssen Zöliakie und Weizenallergie ausgeschlossen
werden. Wenn sich die Beschwerden
nach zwei Wochen Verzicht auf glutenhaltige Nahrungsmittel
bessern oder verschwinden, liegt vermutlich
eine Glutensensitivität vor. Sicherheitshalber
sollte nach ein paar Monaten erneut mit Gluten belastet
werden, um zu sehen, ob die Symptome wiederkehren,
denn nur dann macht eine Gluten- bzw.
Weizenbeschränkung Sinn.
Wichtig: Die Schwelle muss individuell
und unter ärtzlicher Aufsicht ausgetestet werden.
Häufigkeit:
Interessengruppen
gehen davon aus, dass fünf bis
sieben Prozent der Bevölkerung an Glutensensitivität
leiden. In 70 Prozent der
Fälle treten jedoch gar keine Verdauungsbeschwerden
auf, sodass viele erst spät oder gar nicht einen Arzt aufsuchen.