Oft als «Raucherhusten» bagatellisiert, ist die chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD gefährlich – und viel häufiger als gedacht. Schätzungen zufolge leiden bei uns zwischen 10 und 25 Prozent der Bevölkerung daran. Nur durch frühzeitiges Eingreifen können schlimmste Folgen verhindert werden.
COPD (englisch «Chronic Obstructive Pulmonary Disease») nennt man eine Lungenkrankheit, die langsam fortschreitend die Atemwege einengt und die Lungenstruktur zerstört.
Im Grunde ist sie eine chronische Bronchitis (Entzündung und Einengung der Atemwege) mit oder ohne Lungenemphysem. Zigarettenrauch und andere Luftschadstoffe schädigen die Schleimhaut, die die Atemwege auskleidet, es kommt zu einer ständigen Entzündung. Die Bronchien, also die Luftwege in der Lunge, sind dabei dauerhaft verengt. Je stärker diese Verengung voranschreitet, desto gravierender die Beschwerden.
Zusätzlich kann eine krankhafte Überblähung der Lunge (Emphysem) entstehen, d. h. es ist zuviel Luft in den Atemorganen vorhanden. Die überblähten Teile können nur noch wenig Sauerstoff ins Blut abgeben. Dadurch belastet die COPD nicht nur die Lungen, sondern auch das Herz. Es muss mehr Arbeit leisten, um genügend Blut durch die kranken Lungen zu pumpen. Durch entzündliche Prozesse können von der COPD als einer Systemerkrankung auch Muskeln, Blutgefässe und Knochen betroffen sein.
Die Häufigkeit, aber auch die Schwere der Lungenerkrankung wurde lange Zeit verkannt; COPD kommt viel öfter vor, als man noch vor einigen Jahren glaubte. In der Schweiz und in Deutschland leiden Schätzungen zufolge etwa 10 Prozent der Bevölkerung an einer COPD, bei Rauchern über 45 Jahren ist es jeder vierte. Zudem wird die Zahl unentdeckter Fälle für sehr hoch gehalten, so dass auch noch höhere Erkrankungsziffern diskutiert werden. Momentan geht man davon aus, dass weltweit etwa 600 Millionen Menschen an einer COPD erkrankt sind.
Die hohe Dunkelziffer gründet unter anderem da-rauf, dass COPD von den Betroffenen, aber auch von den Hausärzten zunächst kaum wahrgenommen, unterschätzt und als «ein bisschen Husten» abgetan wird. Zur Zeit liegt die COPD in der weltweiten Todesursachenstatistik an fünfter Stelle (zum Vergleich: Herzerkrankungen nehmen die erste, HIV/AIDS nimmt die vierte und Lungenkrebs die neunte Stelle ein). Von den zehn häufigsten zum Tod führenden Krankheiten ist sie die einzige, deren Häufigkeit zunimmt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt daher, dass im Jahr 2020 die COPD nach Herz-Kreislauf-Krankheiten und Hirnschlag die dritthäufigste Todesursache sein wird.
Im Übrigen steigt die Zahl der Erkrankungen bei Frauen besonders stark an, und neuere Untersuchungen kommen zum Schluss, dass sie auch schwerer erkranken und öfter daran sterben als Männer.
Das eindeutig grösste Risiko an COPD zu erkranken, haben Raucher sowie ehemalige Raucher oder stark dem Passivrauchen ausgesetzte Menschen. Etwa 80 Prozent aller Menschen, die an COPD leiden, sind oder waren Raucher, auch wenn umgekehrt nicht alle Raucher die fortschreitende Lungenkrankheit bekommen.
Das Rauchen ist der wichtigste, aber nicht der einzige Risikofaktor. Genetische Aspekte spielen eine Rolle, auch der angeborene Mangel an einem körpereigenen Eiweiss, dem Alpha-1-Proteinase-Inhibitor, kann zur COPD führen. Studien weisen darauf hin, dass häufige und schwere Atemwegsinfektionen wie virale Lungenentzündungen im Kindesalter die spätere Entwicklung einer COPD begünstigen. Auch Rheumatiker entwickeln neuesten Untersuchungen zufolge häufig chronische Lungenleiden.
Weitere Risikofaktoren sind starke Luftverschmutzung, die Arbeit in einem Umfeld mit Staub-, Rauch- und Qualmentwicklung wie bei Bergleuten, Kesselschweissern, Arbeitern in Baumwollfabriken und Webereien oder die Exposition gegenüber chemischen Stoffen wie Säuren, toxischen Gasen oder dampfförmigen Flüssigkeiten etwa in der Kunststoffindustrie.
Möglicherweise spielt auch die Ernährung eine Rolle: Häufiges Essen von Nahrungsmitteln, die Nitrit oder Nitritpökelsalz enthalten, wie Schinken oder Wurst, erhöht laut einer Studie das COPD-Risiko.
Eine COPD entwickelt sich langsam und bleibt oft lange Zeit unbemerkt. Das Problem liegt darin, dass Lungenerkrankungen im Anfangsstadium nur geringe Beschwerden bereiten. Die Betroffenen fühlen sich gesund. Bei Rauchern ist der morgendliche Husten «eben ein bisschen Raucherhusten», weiter nichts Schlimmes. Wird die Diagnose allerdings erst im fortgeschrittenen Stadium gestellt, sind die Therapie-möglichkeiten bereits eingeschränkt.
Die Krankheit bricht meist zwischen dem 40. und 55. Lebensjahr aus. Typische Symptome sind im frühen Stadium morgendlicher Husten mit Auswurf sowie im fortgeschrittenen Stadium Atemnot. Kurzatmigkeit tritt zu Beginn meist nur bei Anstrengung auf, später auch in Ruhe.
Stärker werdende Atemnot, Infektionen der Atemwege und der geschwächten Lungen können bis zum Lungenversagen führen. Langsam, aber sicher können die Betroffenen körperlich immer weniger leisten. Rasches Gehen, Treppensteigen und Tragen von Lasten werden zum Problem. Der Aktionsradius der Kranken wird immer kleiner; das Herz wird mit der Zeit schwächer, was ihn noch weiter einschränkt. Gefährlich für COPD-Kranke sind auch banale Erkältungen. Die angegriffene Lunge reagiert sehr empfindlich auf Infektionen, als Komplikation kann sich eine Lungenentzündung entwickeln.
Schubartig akute Verschlechterungszustände nennen Mediziner «Exazerbationen». Typische Zeichen für eine solche Notfallsituation sind rasche Zunahme der Atemnot und des Auswurfs sowie Müdigkeit bzw. Schläfrigkeit. Nicht alle Ursachen für eine Exazerbation sind bekannt, häufig steckt aber eine bakterielle oder virale Infektion dahinter.
Eine Diagnose kann der Arzt anhand der typischen Symptome und einem Test der Lungenfunktion stellen. Bei der Funktionsprüfung mittels Spirometrie werden Lungen- und Atemvolumina gemessen. Dabei atmet der Patient in ein Rohr; die Kraft, mit der ein- und ausgeatmet wird sowie die Menge der geatmeten Luft pro Zeit wird elektronisch gemessen. Diese einfache Methode ist die einzige Möglichkeit, COPD im Frühstadium zu erkennen.
Von Asthma ist die COPD recht gut abzugrenzen. Wer über 40 Jahre alt ist, keine Allergien hat, starker Raucher ist und Husten mit bräunlicher Schleimabsonderung hat, leidet eher an einer COPD. Die Atemnot bei Belastung tritt bei der COPD meist bereits am Anfang der Belastungssituation auf, bei Asthma eher zum Ende hin.
Die Erkrankung ist nicht heilbar; das Fortschreiten kann jedoch durch Rauchstopp, Medikamente und körperliches Training verlangsamt werden.
«Ich rauche gerne» – so durfte noch vor wenigen Jahren für Zigaretten geworben werden. Wird die Luft knapp, hat es aber doch ein Ende mit dem Genuss. Wenn konsequent aufs Rauchen verzichtet wird, ist die Prognose bei COPD heute deutlich besser als noch vor einiger Zeit. Daher ist dies die wichtigste Massnahme – und süchtige Raucher sollten sich unbedingt ärztliche bzw. therapeutische Hilfe beim Aufhören suchen. Denn das ist nicht einfach und auch nicht nur, wie gerne behauptet, eine Sache der Willenskraft. Das Alkaloid Nikotin gehört zu den am schnellsten süchtig machenden Substanzen überhaupt. Zudem werden dem Tabak eine ganze Reihe von Stoffen zugesetzt, um die Wirkung des Nikotins im Körper zu verstärken und somit das Suchtpotenzial zu erhöhen.Ist es geschafft, sollte man auch Passivrauchen und den Aufenthalt in verrauchten Räumen vermeiden.
Wie bei Arteriosklerose und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen steht auch bei COPD die «Lebensstil-Therapie» an erster Stelle: Rauchstopp, gesunde Ernährung und viel Bewegung.
Wandern, Radfahren und Schwimmen sind besonders günstig; vor allem COPD-Patienten, denen es noch gut geht, sollten ihre körperliche Leistungsfähigkeit steigern beziehungsweise erhalten, damit sie in anstrengenden Situationen nicht so schnell aus der Puste kommen.
Die Behandlung mit inhalierbaren Medikamenten, die die Atemwege erweitern, mildert die Atemnot bei körperlicher Anstrengung. Diese Mittel, so genannte Bronchodilatatoren, können die Betroffenen entweder nur bei Bedarf inhalieren oder sie werden regelmässig eingesetzt.
Bei Patienten, bei denen bereits viel
Lungengewebe zerstört ist, die also nicht mehr in der Lage sind,
genügend Sauerstoff aufzunehmen, wird eine Langzeitsauerstofftherapie
angewendet, um Lebensqualität und Lebenserwartung zu verbessern. Bei
einem schweren Lungenemphysem kommt eine chirurgische Reduktion des
Lungenvolumens in Frage, bei einer sehr schweren COPD kann auch eine
Lungentransplantation notwendig sein. Aber wer will es schon so weit
kommen lassen?
Autorin: Dr. Claudia Rawer, erschienen in der November-Ausgabe der «Gesundheits-Nachrichten» 2009.
In diesem Zusammenhang sollten nicht nur Personen mit lang anhaltendem, sondern auch mit akutem Husten an eine COPD denken. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die in zwölf europäischen Ländern an 1947 Patienten mit anhaltendem Husten durchgeführt wurde. Vier Wochen nach der Erstvorstellung, wenn der Husten wieder verschwunden war, wurde bei allen Patienten die Lungenfunktion überprüft.Ergebnis: Bei 240 Probanden (12 Prozent) fanden sich Hinweise auf unerkanntes Asthma. Anzeichen einer COPD wurden, je nach Bewertungsmaßstab, bei bis zu 10 Prozent der Patienten entdeckt. Damit lieferte die Spirometrie bei jedem fünften Patienten mit akutem Husten Hinweise auf eine bisher nicht bekannte chronische Atemwegserkrankung.
Quelle: www.springermedizin.de