Auf eine – oder gar mehrere – Erkältungen im Laufe des Winters kann man gut verzichten. Wer hat schon Lust, mit Schniefnase, bellendem Husten und tränenden Augen im Bett zu liegen oder von den Kollegen gemieden oder heimgeschickt zu werden?
Dr. C. Rawer 11.15
Den Winter in vollen Zügen genießen! Das schafft nur, wer über ein starkes Immunsystem verfügt. Foto: Fotolia
Dennoch füllen die banalen Infekte in jeder Wintersaison die Wartezimmer und treiben den Krankenstand in den Firmen und Geschäften sowie den Umsatz an meist wirkungslosen «Grippemitteln» und leider auch Antibiotika in die Höhe. Halsschmerzen, Husten, Schnupfen und Heiserkeit plagen in den kalten Monaten viele. Ist die Immunabwehr geschwächt, haben Erkältungsviren leichtes Spiel. Dem kann man vorbeugen – auf vielerlei Art und auch mit pflanzlicher Hilfe.
Die Basis bilden Maßnahmen wie Händewaschen, häufig berührte Gegenstände wie Telefon, Lichtschalter und Treppengeländer reinigen; aufs Händeschütteln und Küsschen links, Küsschen rechts verzichten; regelmäßig lüften; abwechslungsreiche, gesunde Ernährung, viel Wasser oder Tee trinken, viel Bewegung an der frischen Luft und genügend Schlaf – aber das wissen Sie ja alles.
Das ganze Jahr wacht unser Immunsystem über unsere Gesundheit: meist im Verborgenen, ganz unauffällig und von uns unbemerkt. In der kalten Jahreszeit denken wir wieder öfter an dieses gewaltige Schutznetz in unserem Körper, das darauf ausgelegt ist, Erreger abzufangen, unschädlich zu machen und abzutransportieren. Das Ganze funktioniert im Prinzip wie ein ausgezeichnet organisiertes Unternehmen: Transport, Produktion, Lager, Logistik und Sicherheitsabteilung sind bei einem gut ausgebildeten Immunsystem auf dem neuesten Stand, miteinander vernetzt und strategisch ausgerichtet.
Das Grundgerüst der Abwehr bildet das Lymphsystem, das die Organe miteinander verbindet. Es transportiert per Lymphflüssigkeit Immunzellen zu den Organen und Krankheitserreger von ihnen weg. Auch das Blut spielt eine wichtige Rolle beim Transport von Immunzellen, Antikörpern und löslichen Stoffen. Eine ganze Reihe von Organen sind an dem Schutznetz beteiligt: Neben den Lymphgängen und Lymphknoten sind das z.B. die Schleimhäute und die Haut, die Atemwege, die Mandeln, die Milz, das Knochenmark, der Darm und, vor der Pubertät, die Thymusdrüse, die später verkümmert.
Diese Organe des Immunsystems produzieren Immunzellen oder lagern sie, bis sie zum Einsatz kommen. Meist stehen sie an Stellen, die auch viele Erreger passieren müssen – so können die Wachtposten schnell gegen diese vorgehen. Mindestens fünf verschiedene Arten von Zellen kommunizieren mittels Botenstoffen, spüren Eindringlinge auf, produzieren Antikörper zur Bekämpfung von Krankheitserregern und greifen infizierte (sowie Tumor-) Zellen an und zerstören sie. Diese gut organisierte Firma in Schwung zu halten, ist eine Herausforderung – speziell in Zeiten, wo äußere Umstände es den Mitarbeitern schwer machen. Feuchtkaltes Wetter, trockene Luft, geschlossene und überheizte Räume – schon haben die Erkältungsviren leichtes Spiel.
Der am besten bekannte pflanzliche Unterstützer eines starken Immunsystems ist natürlich der Rote Sonnenhut (Echinacea purpurea). Dazu später mehr. Fürs Erste wollen wir einige weitere potenzielle Helfer aus dem Pflanzenreich unter die Lupe nehmen.
Sucht man im Internet nach dem Begriff «Pflanzen fürs Immunsystem» stösst man oft auf den Lebensbaum (Thuja) und den Wilden Indigo (Baptista tinctoria), auch Färberhülse genannt. Beide traditionellen Heilmittel haben jedoch durchaus ihre Schwächen. Das ätherische Öl des Lebensbaums enthält das Nervengift Thujon, weshalb von einer längeren Anwendung abgeraten wird. Die Wirksamkeit als Mittel zur Stärkung des Immunsystems ist nicht belegt.
Auch die Färberhülse gilt nur als «möglicherweise» abwehrkraftstärkend. Untersuchungen zu den Wirkstoffen der seltenen Heilpflanze gibt es kaum. In Deutschland und der Schweiz werden Thuja und Wilder Indigo zusammen mit Sonnenhut-Extrakten eingesetzt. Da jedoch die das Immunsystem stärkende und modulierende Wirkung von Echinacea gründlich untersucht und belegt ist, scheint eine Kombination nicht vielversprechender als ein Sonnenhut-Präparat alleine.
Die Taigawurzel : Bei Bluthochdruck nicht einnehmen!
Der Gewöhnliche (Eupatorium cannabinum) und der Durchwachsene Wasserdost (E. perfoliatum), auch als Kunigunden- oder Indianerkraut bekannt, wurde von nordamerikanischen Heilkundigen zur Behandlung von Erkältungen, vor allem aber bei Fieberzuständen, bei Malaria, Denguefieber und Grippe eingesetzt. Wissenschaftler vermuten eine Wirkung auf das Immunsystem, jedoch ist auch diese Pflanze noch unzureichend untersucht.
Der Borstigen Taigawurzel (auch Sibirischer Ginseng, Eleutherococcus senticosus), die in China, Japan, Korea und Sibirien wächst, wird vor allem in Studien aus Russland und China eine immunstimulierende Wirkung zugeschrieben.
Die Inhaltsstoffe der Taigawurzel sind besser bekannt als die des Wasserdosts: So gelten Chlorogen- und Rosmarinsäure als antiviral und antibakteriell. Taigawurzelpulver ist in Deutschland und der Schweiz in Kapseln erhältlich.
Vorsicht ist jedoch bei Bluthochdruck geboten; mit anderen Medikamenten, z.B. Antidiabetika, Insulin, Schlafmitteln und Gerinnungshemmern, sind unerwünschte Wechselwirkungen bekannt. Auch mit Stimulanzien wie Kaffee sollte Eleutherococcus nicht zusammen eingenommen werden; es kann zu Schlafstörungen und Hyperaktivität kommen.
Die erste Wahl, wenn es um die Stärkung des Immunsystems geht: Der Rote Sonnenhut - Echinacea purpurea L.
Auch wenn Pflanzen wie der Wasserdost und die Taigawurzel sicherlich interessantes Potenzial haben, so gilt in der Phytotherapie ebenso wie in der Schulmedizin der Grundsatz: Warum Bewährtes ändern? Echinacea, insbesondere der Rote Sonnenhut Echinacea purpurea, ist und bleibt das bestuntersuchte und wirksamste pflanzliche Mittel zur Stärkung des Immunsystems.
Einzelne Untersuchungen zum Thema Echinacea ergeben aufgrund ihrer sehr unterschiedlichen Studienanordnung oft «gemischte» Aussagen. Doch Metaanalysen zeigen immer wieder seine Fähigkeiten auf: Man erkältet sich deutlich seltener, und wenn doch, ist die Dauer der Erkrankung ein wenig kürzer. Frischpflanzenpräparate haben hier, wie auch in anderen Bereichen der Pflanzenheilkunde, die Nase vorn.
Ingwer: Wertvoll für Küche und Körper.
Auch ein König kann ein wenig Unterstützung brauchen – und wir in der kalten Jahreszeit ein Übriges tun, um uns fit zu halten. Zwei Wurzeln bieten sich hier in der Winterzeit an: Der aromatische Ingwer und der scharfe Meerrettich. Ingwer wirkt laut Dr. med. Eberhard Wormer antiviral gegen mehrere Erkältungs- und sogar Grippeviren, von seiner antibakteriellen Wirkung ganz abgesehen.
Den Scharfstoffen Gingerol und Shogaol wird sogar eine immunstimulierende Wirkung nachgesagt. Ist die Erkältung bereits ausgebrochen, kann Ingwer Symptome wie laufende Nase, zähen Husten und Schüttelfrost lindern, und er wirkt entzündungshemmend. Ingwer lässt sich als Tee genießen und schmeckt hervorragend in Suppen, in Pasta- und Wokgerichten sowie zu Fisch und Fleisch. Nur zu lange mitkochen sollte man die pikante Knolle nicht; sie verliert sonst an Geschmack und Wirkung.
Die entscheidenden Inhaltsstoffe des Meerrettichs sind seine Senföle (Phenylethyl- und Allylsenföl). Sie hemmen ebenfalls verschiedene Erkältungsund Grippeviren, zudem hat die Wurzel auch eine ausgeprägte antibakterielle Wirkung. Schon kleine Mengen wappnen das Immunsystem. So empfiehlt es sich, winters eine Meerrettichwurzel im Kühlschrank oder Keller zu haben und regen Gebrauch von ihr zu machen.
Nur den Bereich, den man verwenden will, sollte man waschen, schälen, reiben und sofort verwenden, denn die ätherischen Öle «verduften» rasch. Schon Alfred Vogel empfahl, täglich «bescheidene Mengen» zu sich zu nehmen: in der Suppe, im Quark oder auf dem Brot. Meerrettich wirke erfrischend im Karottensalat, der dann weniger süßlich schmecke, und sei auch eine hervorragende Zugabe zu anderen Gemüsesalaten.
Tipp: Die Stangen kann man, eingeschlagen in ein feuchtes Küchentuch, im Gemüsefach des Kühlschranks wochenlang aufbewahren; alternativ in einem Eimer mit Sand in einem kühlen Keller.
Lange wurde gestritten, ob Vitamin C vor Erkältungen schützen oder bei der Behandlung helfen könne. Inzwischen weiß man: Da nützt es leider gar nichts. Doch indirekt, nämlich über das Immunsystem, ist das Vitamin doch hilfreich: Mehrere Zelltypen des Immunsystems benötigen Vitamin C für ihre Funktion und können es anreichern.
Mit unserer reichhaltigen Speisekarte kommt es allerdings kaum je zu einem wirklichen Vitamin-C-Mangel; daher ist auch die (übermäßige) Einnahme von Vitamin-C-Präparaten nicht angebracht. Wenn man gesund und abwechslungsreich isst, nimmt man mit der Nahrung genügend Vitamin C auf. Dazu gehören gerade im Winter einheimische Vitamin-C-reiche Gemüse, so z.B. Kohl in allen Variationen, besonders Grünkohl. Viel Vitamin C (und andere Vitamine) enthalten auch die importierten Zitrusfrüchte, Mangos und Guaven.
Und haben Sie das Gefühl, einen richtigen Schub zu brauchen, versuchen Sie es doch einmal mit einheimischen Kraftprotzen: Hagebutte (1250 mg Vitamin C pro 100 g) oder Sanddorn (450 mg pro 100 g)
Häufige Umarmungen helfen auch dem Immunsystem. Zu diesem Schluss kommt ein Experiment der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh. Die Wissenschaftler befragten die 400 Teilnehmer jeden Abend telefonisch über ihren Tag, unter anderem auch, wie oft sie eine Umarmung erhalten hatten. Nach den Befragungen wurden die Teilnehmer in Quarantäne gebracht und absichtlich einem Schnupfenvirus ausgesetzt.
Das Resultat: Je stärker sich eine Person in ihrem Umfeld aufgehoben fühlte und je öfter sie umarmt worden war, desto seltener wurde sie krank. Ein liebevolles Zuhause ist wichtig für das Immunsystem, weil es Stress vorbeugt und dadurch auch mehr Abwehrzellen gegen Viren gebildet werden können. Ein positives Umfeld und häufige Umarmungen tragen also auch dazu bei, das Risiko von Erkältungen und grippalen Infekten zu reduzieren.
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