Zunehmende Vergesslichkeit sowie Probleme mit dem Denken und der Konzentration – viele Frauen in den Wechseljahren sind beunruhigt, wenn sie feststellen, dass ihre kognitiven Fähigkeiten nachlassen. Schuld daran sind wie an allen Veränderungen in dieser Lebensphase die Hormone. Die gute Nachricht: Die Schwierigkeiten sind in aller Regel nicht von Dauer.
Ganz gerecht ist das von der Natur nicht. In der zweiten Lebenshälfte haben die Frauen deutlich mehr auszustehen als die Männer. Neben körperlichen Symptomen wie Schlafstörungen und Hitzewallungen ist in vielen Fällen auch das Gehirn betroffen.
Autorin: Annette Willaredt
Untersuchungen zufolge leiden bis zu 60 Prozent der Frauen in den Wechseljahren unter Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen. Sie vergessen Termine, können sich neue Namen oder Vokabeln deutlich schlechter merken, verlegen häufig Dinge wie die Brille und haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache zu fokussieren.
Eine grosse Rolle spielen dabei die Hormone. Ab 40 bis 45 Jahren, lange bevor es zur letzten Regelblutung (Menopause) kommt, fährt der Körper die Produktion von Östrogenen und Progesteronen immer weiter herunter. Diese weiblichen Geschlechtshormone sind nicht nur zuständig für die körperliche Reifung eines jungen Mädchens, die Sexualität und die Fruchtbarkeit. Die Botenstoffe haben auch Einfluss auf das Gehirn. Möglich ist das, weil sie so winzig sind. Im Gegensatz zu anderen Substanzen, die nur im Körper zirkulieren, können sie die sogenannte Blut-Hirn-Schranke überwinden. Diese Schranke ist eine Schutzbarriere, die verhindert, dass schädliche Stoffe bis zu den empfindlichen Nervenzellen im Kopf vordringen.
Dass die Geschlechtshormone hier „durch dürfen“, liegt daran, dass sie im Gehirn eine positive Wirkung entfalten. Östrogene schützen die Nervenzellen und sie sorgen dafür, dass diese Neuronen nicht so schnell absterben, auch wenn sie bereits durch Gifte oder eine gestörte Durchblutung Schaden genommen haben. Experten gehen außerdem davon aus, dass die Geschlechtshormone bis zu einem gewissen Grad vor den Eiweissablagerungen (Plaques) schützen, die für die Entwicklung der Alzheimer-Krankheit verantwortlich gemacht werden.
In Tierversuchen zeigte sich ein weiterer Effekt. Bei Ratten, die künstliche Östrogene bekamen, veränderten sich nach einiger Zeit die Hirnregionen, die für die geistige Leistungsfähigkeit verantwortlich sind. Die Nervenzellen dort verzweigten sich stärker, wuchsen und verbanden sich häufiger mit ihren Nachbarzellen. All das sind Hinweise für mentale Fitness. Wie weit sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, ist allerdings noch offen.
Weniger Östrogene im Körper = beeinträchtigte geistige Fähigkeiten – so einfach ist die Gleichung aber trotzdem nicht. Mediziner der Rochester-Universität in New York fanden durch eine Studie heraus, dass die Konzentrations- und Gedächtnisstörungen bei Frauen vor allem im ersten Jahr nach der Menopause auftreten. Wissenschaftler ziehen daraus den Schluss, dass vor allem die starken Schwankungen des Östrogenspiegels (die typisch sind für die Zeit vor und nach der letzten Regelblutung) Stress für das Gehirn bedeuten. Nach und nach stellt es sich dann auf die niedrigeren Hormonwerte ein, die Beschwerden verschwinden wieder.
Einfach hinnehmen müssen Frauen diese Probleme aber nicht. Ein ganz wichtiges Gegenmittel ist körperliche Aktivität. Schon ein flotter Spaziergang von nur 30 Minuten am Tag verbessert die Leistungsfähigkeit des Gehirns. So wird es besser durchblutet. Das optimiert die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen.
Untersuchungen zeigen zudem, dass man öfter mal ungewohnte Bewegungen machen sollte. Dazu muss man nicht gleich eine neue Sportart erlernen. Wirksam sind auch so einfache Dinge wie ein Stück rückwärts zu laufen, auf einem Baumstamm zu balancieren oder die Zähne mit der anderen Hand als üblich zu putzen. Das Gehirn ist gezwungen, neue „Verschaltungen“ in den Nervenzellen zu bilden, um solche Aufgaben lösen zu können.
Wie die Muskeln braucht auch das Gehirn Training, um auf Dauer leistungsfähig zu bleiben. Mehr als ein Kreuzworträtsel, bei dem vorhandenes Wissen abgefragt wird, bringen Spiele wie Sudoku, die das Denken beweglich halten. Ausserdem sollte man seinen grauen Zellen immer wieder ganz neue Herausforderungen bieten.
Besonders effektiv ist das Erlernen eines Musikinstruments. Durch das Spiel auf der Geige oder dem Klavier entstehen sehr schnell neue Nervenverbindungen. Sie sind schon nach 20-minütigem Musizieren nachweisbar. Die Grosshirnbereiche für Hören, mit den Händen spüren und Bewegung verknüpfen sich viel besser – und das nutzt dann auch bei normalen Alltagsaufgaben. Das Gehirn ist einfach fitter.
Auch mit der Ernährung lässt sich der Kopf hervorragend unterstützen. Um längere Zeit konzentriert arbeiten zu können, ist z.B. eine gleichmässig hohe Energieversorgung wichtig. Die wird durch komplexe, langkettige Kohlenhydrate gesichert. Der Organismus zerlegt diese nach und nach in einzelne Bausteine, die so über einen längeren Zeitraum kontinuierlich ins Gehirn gelangen.
Die komplexen Kohlenhydrate liefern z.B. Vollkornprodukte, Kartoffeln und Gemüse. Auch Fette bringen Energie. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren können aber noch mehr. Sie bewahren die Hüllen der Nervenzellen vor Schäden und wirken sich außerdem günstig auf deren Zusammenarbeit untereinander aus. Besonders zu nennen sind hier die Omega-3-Fettsäuren, die z.B. in Rapsöl, Leinsamen, fettem Seefisch wie Lachs oder Nüssen stecken.
Ein weiterer Schutzstoff für die Nervenzellen ist das Lecithin. Es findet sich z.B. in Haferflocken, Hefe, Eigelb, Soja und Fisch. Für die Informationsübermittlung im Gehirn brauchen wir zudem Eiweisse. Aminosäuren, die kleinsten Bausteine der Eiweisse, wirken direkt oder in umgewandelter Form als Botenstoffe, die Informationen schneller von einer Nervenzelle zur nächsten fliessen lassen. Eine gute Quelle für hochwertige Eiweisse sind neben magerem Fleisch und Milchprodukten auch Hülsenfrüchte.
Nicht vergessen darf man, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. 1,5 Liter am Tag sollten es mindestens sein.