Ein beschleunigter Puls, plötzliche Gewichtszunahme, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit – wenn Frauen im Alter von 45 oder 50 Jahren bei sich solche Symptome feststellen, denken sie oft: Das sind wohl die Wechseljahre. Solche Beschwerden kann aber eine Schilddrüsenerkrankung hervorrufen. Eine Untersuchung beim Arzt schafft Klarheit.
Autorin: Annette Willaredt, 01/20
Die Schilddrüse ist zwar ein sehr kleines Organ, doch sie ist lebenswichtig. Die schmetterlingsförmige Drüse liegt unterhalb des Kehlkopfes. Sie produziert Hormone (Trijodthyronin oder T3 und Tetrajodthyronin oder T4), die viele wichtige Körperfunktionen steuern. Dazu gehören der Sauerstoffverbrauch der Zellen, die Verstoffwechselung von Fetten, Kohlenhydraten und Eiweissen, das Herz-Kreislauf-System, die Verdauung sowie die Arbeit der Nerven und Muskeln. Bei Kindern lenken die Schilddrüsenhormone die körperliche und geistige Entwicklung. Auch für das seelische Wohlbefinden ist das Organ entscheidend. Um die Hormone herzustellen, braucht die Schilddrüse Jod. Das Spurenelement muss über die Nahrung in ausreichender Menge zugeführt werden. Geschieht das nicht, kann es zu krankhaften Veränderungen der Drüse kommen. Tatsächlich ist Jodmangel eine häufige Ursache für Schilddrüsenerkrankungen. Hat die Drüse zu wenig von diesem Spurenelement zur Verfügung, vergrössert sie sich, ein Kropf bildet sich, auch Struma genannt. Und ihre Funktion wird beeinträchtig. Ausserdem spielen bei Erkrankungen der Drüse auch Entzündungen und Autoimmunprozesse eine Rolle. Wichtig zu wissen: Störungen der Schilddrüse nehmen mit steigendem Lebensalter zu. Laut Schätzungen ist bei Menschen über 45 Jahren jede/r Dritte betroffen.
Störungen der Schilddrüse lassen sich in zwei grosse Gruppen unterteilen: Bei einer Unterfunktion (Hypothyreose) werden zu wenig Hormone gebildet. Bei einer Überfunktion (Hyperthyreose) sind es zu viele Hormone.
Beide Erkrankungen haben typische Anzeichen. Sie müssen aber nicht alle bei jeder Patientin auftreten.
Bei der Schilddrüsenunterfunktion sind das:
Bei der Schilddrüsenüberfunktion sind das:
Wie sich die Wechseljahre äussern:
Interessant daran ist, dass sich bei den häufigsten Beschwerden, die mit den Wechseljahren einher gehen, sowohl Überschneidungen mit den Symptomen einer Schilddrüsenüber- und einer Schilddrüsenunterfunktion finden. Das macht es Frauen nicht leicht, ihre Probleme richtig einzuordnen. Der beste Weg ist ein Besuch beim Arzt. Eine Blutuntersuchung bringt schnell Klarheit darüber, ob ein Mangel oder ein Überschuss an Schilddrüsenhormonen vorliegt. Bei einer Unterfunktion werden die fehlenden Hormone meist durch die tägliche Einnahme von Tabletten mit synthetisch hergestelltem L-Thyroxin ersetzt. Bei einer Überfunktion werden oft sogenannte Thyreostatika eingesetzt, welche die Hormonproduktion hemmen. Bei ausgeprägten Herzrhythmusstörungen werden zusätzlich auch Betablocker verschrieben. Nicht immer reicht die medikamentöse Therapie aus. Besonders bei einer starken Vergrößerung der Schilddrüse kann auch eine Radiojodbehandlung oder eine Operation nötig werden.
Damit das kleine Organ richtig funktioniert, braucht es vor allem Jod. Der Körper kann es nicht selbst herstellen, man muss es deshalb mit der Nahrung zuführen. Erwachsenen werden täglich rund 200 Mikrogramm empfohlen. Allerdings sind die Böden in der Schweiz und Deutschland jodarm. Deshalb ist die nötige tägliche Joddosis mit Obst, Gemüse, Getreideprodukten, Milchprodukten und Fleisch kaum zu erreichen. Empfohlen wird deshalb die Verwendung von jodiertem Speisesalz. Auch alles, was aus dem Meer kommt, enthält viel Jod. Zwei Seefisch-Mahlzeiten pro Woche tragen viel zu einer guten Versorgung bei. Das gilt auch für Algen, z.B. in Sushi. Ebenfalls wichtig für die Schilddrüse ist Selen. Erst mit seiner Hilfe werden die von dem Organ produzierten Hormone im Körper aktiv. Selen findet sich z.B. in Paranüssen, Haferflocken, Pilzen, Linsen, Brokkoli, Spargel, Weisskohl, Eiern, Fleisch, Innereien und Fisch.
Die häufigsten Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse sind die Basedowsche Krankheit und die Hashimoto-Schilddrüsenerkrankung. In beiden Fällen greift das Immunsystem körpereigenes Gewebe an. Zwar ist das Risiko, an Basedow oder Hashimoto zu erkranken, zu etwa 70 Prozent genetisch bedingt. Doch neuere Forschungen zeigen, dass bestimmte Umwelt- und Lebensstilfaktoren darauf Einfluss haben, ob die Erkrankung wirklich ausbricht. Hier lässt sich vorbeugend ansetzen. Ratsam ist es, Stress zu meiden, nicht zu rauchen (Zyanid im Zigarettenrauch blockiert die Jodaufnahme in der Schilddrüse) und auf eine gute Versorgung mit Selen zu achten. Außerdem sollte das Immunsystem mit einer vitaminreichen, ausgewogenen Ernährung und regelmäßiger Bewegung fit gehalten werden.