Die stacheligen Gesellen sind zwar mittlerweile fast ganzjährig erhältlich, da sie von Frankreich über Nordafrika bis Israel angebaut werden, aber am besten schmecken sie eben doch von Mitte April bis November. Und: Artischocken sind ein kulinarisches Vergnügen und rundum gesund.
Botanisch heißt die so genannte Essdistel Cynara scolymus und ist tatsächlich, als Mitglied der Korbblütler-Familie, mit der Ackerkratzdistel eng verwandt. Es wird ja immer behauptet, dass die genügsamen Esel gerne Disteln fressen – vielleicht bevorzugen Esel, die etwas auf sich halten, die bekömmlichere Variante? Im Gegensatz zu den einjährigen Disteln unserer Breiten sind Artischocken ausdauernde Kulturpflanzen, die im ersten Jahr meist nur eine Blattrosette bilden, erst im zweiten Jahr einen bis zu zwei Meter hohen Stängel mit den begehrten Knospen.
Trotz des stacheligen Erscheinungsbildes sind kräftige Artischockenpflanzen mit ihren silbrig graugrünen Blättern, hellgrünen oder violett überhauchten Knospen und schließlich den imposanten Blüten auch eine Augenweide im Garten. Allerdings ist die Überwinterung in unseren Breiten recht schwierig, da die Pflanze aus dem Mittelmeerraum stammt und sehr frostempfindlich ist. Daher kommen die meisten Artischocken, die bei uns gegessen werden, aus den Ländern an Mittelmeer und Atlantik. Sehr beliebt sind die dickfleischigen Früchte aus der Bretagne, die zudem recht umweltfreundlich angebaut werden: die Befruchtung wird den Hummeln überlassen und die Düngung stark begrenzt. Auch Italien versorgt uns ab dem Frühjahr mit Artischocken, und aus Spanien und Sizilien kommen besonders kleine und zarte Sorten.
Unser Name Artischocke stammt aus dem Arabischen und wird von «al-churchufa» (essbare Pflanze) oder «ardi-schauki » (Erddorn, Erddistel) hergeleitet. Von Ägypten bis nach Griechenland war die wohlschmeckende und verdauungsfördernde Artischocke schon im Altertum beliebt. Auch wohlhabende Römer schätzten sie – kein Wunder bei all dem fetten Essen. Den Weg zu uns fand sie im 15. Jahrhundert über Frankreich und England, wo wiederum vor allem der Adel sich die Delikatesse schmecken ließ.
Die feine Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts kürte sie zur «Königin der Gemüse» und glaubte an eine erotisierende Wirkung. Vielleicht ließ sich deswegen Johann Wolfgang von Goethe im Briefwechsel mit Christiane Vulpius über das Gedeihen der Pflanzen im Weimarer Hausgarten unterrichten und sich sogar Artischocken nachschicken, wenn er auf Reisen war. Es wird sogar behauptet, dass er so manches Frauenherz statt mit Rosen mit einem Arrangement aus selbstgezogenem Gemüse zu erobern versuchte, und er schrieb an eine Freundin über die Artischocke: «Aus gepflegtestem Revier send ich starre Disteln dir.» In unserer Zeit wurde die Artischocke zur Arzneipflanze 2003 gewählt.
An dieser Frage scheiden sich die Geister. Der Restaurantkritiker
Wolfram Siebeck hält nur die Böden für der Mühe wert: «Gegessen wird von
der Artischocke der Boden, sonst nichts.» Die «Blätter von den
gekochten Artischocken zupfen und auf dem weichen Ende herumkauen» hält
er für «eine langweilige Beschäftigung ohne kulinarischen Gewinn».
Andere, auch ohne eselige Verwandtschaft, würden ihm da doch energisch widersprechen. Die geschmähten Blattenden durch eine leichte Vinaigrette, eine selbst gerührte Mayonnaise oder einen pfiffigen Dip ziehen und sie dann genussvoll auslutschen – das ist ein ausgesprochen leckeres Vergnügen und eine nette Zeremonie in geselliger Runde. Die Liebhaber der Böden futtern sich auf diese Weise zum Herzen der Artischocke vor.
Zur weiteren Verwandtschaft gehören neben der Kratzdistel die
Sommerboten Margerite und Kornblume. Eine ebenfalls essbare Schwester
der Artischocke ist die Karde, botanisch Cynara cardunculus, auch als
Cardy, Kardone oder als Distelkohl bezeichnet. Früher war sie häufig in
Klostergärten anzutreffen. Vermutlich beziehen sich viele frühe
Erwähnungen der Artischocke (auch) auf die Karde.
Die Knospen haben jedoch keinen fleischigen Blütenboden, daher werden nur die – oft wie Chicoree gebleichten – Blattstiele gegessen. Frisch sind diese knackig und schmecken leicht bitter, würzig und etwas nussartig. Als Gemüse wird die Karde von Ende September bis Ende Dezember vorwiegend aus europäischen Anbaugebieten in Spanien, Frankreich und Italien angeboten. Sie enthält neben hohen Mengen Kalium und Vitamin C wie die Artischocke das Galle und Verdauung anregende Cynarin; für Zuckerkranke ist sie wegen ihres Inulingehalts leicht verträglich (die Stärke Inulin ist ohne das Hormon Insulin abbaubar). Bei der Zubereitung sollte man die Stiele kurz blanchieren und dann die Haut samt Stacheln abziehen. Die meisten Schwarz-wurzel- und Spargelrezepte können auch mit Cardy zubereitet werden.
Artischocken sind reich an Vitamin A und C sowie Kohlenhydraten. Sie enthalten B-Vitamine, Carotin, Spurenelemente, Bitterstoffe, antioxidativ wirkende Flavonoide und das verdauungsfördernde Cynarin. Cynarin wurde lange Zeit als der Stoff angesehen, der für eine leberschützende und vermutlich auch cholesterinsenkende Wirkung verantwortlich ist. Außerdem enenthalten sie viele Ballaststoffe wie Inulin.
In jüngerer Zeit wurde jedoch festgestellt,
dass nicht Cynarin, sondern Cynarosid und Luteolin die Cholesterin
senkenden Stoffe sind. So gesund Artischockenknospen sind: Cynarosid ist
aber hauptsächlich in den Blättern, sehr viel weniger in Knospe oder
Blütenboden, enthalten. Auch Cynarin kommt in der frischen Pflanze nur
in geringen Mengen vor. Wer also seiner Verdauung oder seinem
Cholesterinspiegel etwas Gutes tun möchte, sollte nicht nur Artischocken
essen, sondern auch auf Extrakte wie von Frischpflanzen-Präparaten
zurückgreifen, die auch die Wirkstoffe der Blätter
enthalten.
• Autorin: Dr. Claudia Rawer (04/05)