Seit ein paar Jahren ist das Wasser der Kokosnuss beliebter Fitnesstrunk
und angeblich Wundermittel für alle, die schön, jung und
gesund bleiben wollen. Was ist dran an dem Trend? Autorin: Gisela Dürselen GN 4.13
Die Sängerin Madonna soll es lieben, das brasilianische Model Gisele Bündchen ebenso wie viele andere Stars und Sternchen: das Wasser der Kokosnuss, gewonnen aus der noch grünen Frucht, die bis zu einem halben Jahr vor ihrer Reife geerntet wird. Glaubt man den zahlreichen Nachrichten, die Kokoswasser bewerben, so ist es ein wahres Wundermittel: Es soll den Wasserhaushalt des Körpers regulieren, gegen schlechtes Cholesterin, Nierensteine und vorzeitiges Altern wirken, die Leber unterstützen, Immunsystem und Blutkreislauf stimulieren, bei der Entgiftung des Körpers helfen, zur Gewichtsreduzierung beitragen und angeblich sogar gegen Krebs vorbeugen.
In den Tropen, wo die Kokosnuss wächst, spielte sie schon immer eine wichtige Rolle im Leben der Menschen, und das Wasser ihrer Frucht ist hoch geschätzt. Auf Sri Lanka wächst seit Jahrhunderten eine Kokosnuss, die eigens als Trink-Frucht gezüchtet wurde: Die orangefarbige King Coconut hat wenig Fleisch, dafür besonders viel Wasser, das süßer schmeckt als das anderer Sorten.
Vor ein paar Jahren wurde die tropische Spezialität auch in westlichen Ländern entdeckt: Schnell galt sie als Gesundheitsbrunnen, und von den USA aus breitete sich ihr Ruf nach Europa aus. Die Umsätze stiegen sprunghaft; große Getränke-Produzenten reagierten auf den Trend und kauften sich bei einem brasilianischen Hersteller ein.
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Was Europäer als Kokosnuss bezeichnen, ist botanisch gesehen keine Nuss, sondern eine Steinfrucht. Mit einem Gewicht von einem bis zweieinhalb Kilogramm gehört sie zu den größten Früchten der Welt. Sie ist von einer dicken Faserschicht umgeben, die eine glatte grünliche, gelbe oder orange Aussenhaut hat. Für den Transport wird diese Haut entfernt.
Eine einzige Kokosnuss bietet bis zu einem Liter Wasser – aber nur, wenn sie noch jung und frisch ist. Je reifer sie ist und je länger sie lagert, desto weniger Wasser enthält sie. Dafür wächst jetzt das Fruchtfleisch im sich entwickelnden Kern: Die anfangs nur dünne, gallertartige Schicht wird mit der Zeit immer dicker und fester – und ist am Ende das bekannte, faserige Kokosfleisch in der braunen Hülle.
Das reife Kokosfleisch ist Ausgangsmaterial für Kokosflocken. Presst man das Fleisch aus, erhält man die weißliche und stark fetthaltige Kokosmilch, mit der Asiaten ihre Speisen verfeinern. Das Wasser der jungen Kokosnuss ist demgegenüber fast durchsichtig und schmeckt trotz geringem Zuckergehalt leicht süßlich. Im Unterschied zur Kokosmilch enthält es kaum Fett und Kalorien; dafür wartet es mit vielen wertvollen Inhaltsstoffen auf.
Ein Blick in die Nährwerttabellen bestätigt, dass Kokoswasser vor allem an Elektrolyten wie Kalium und Natrium reich ist. Diese sorgen für einen ausgeglichenen Flüssigkeitshaushalt im Körper und beeinflussen z.B. Aktivitäten der Muskeln. Kalium erfüllt aber im Körper noch weitere wichtige Aufgaben, zum Beispiel aktiviert es bestimmte Enzyme, spielt bei der Herstellung von Eiweißen sowie beim Kohlenhydratstoffwechsel mit, wirkt auf die Herzmuskeltätigkeit ein und reguliert Zellwachstum und Blutdruck.
Ungefähr zwei Gramm Kalium pro Tag braucht ein gesunder Erwachsener, Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren etwa 1 bis 1,9 Gramm. Meist wird der Kaliumbedarf mit der täglichen Ernährung gedeckt. Menschen mit Bluthochdruck benötigen etwas mehr als das Doppelte der täglichen Normalmenge und sollten deshalb ihre Ernährungsgewohnheiten mit dem Arzt oder der Ernährungsberaterin absprechen. Wer viel Salz isst, scheidet automatisch mehr Kalium aus, und bei längerer Belastung beim Sport kann eine zusätzliche Versorgung mit Kalium sinnvoll sein.
Laut einer Studie der American Chemical Society an der Indiana University South East (2012) enthält Kokoswasser etwa doppelt so viel Kalium wie Bananen und um ein Vielfaches mehr als herkömmliche Sportgetränke. Dafür sei der Natrium-Gehalt etwas geringer als in gängigen Sportdrinks. Wegen dieses Elektrolytgehalts ist Kokoswasser laut Studienleiter Dr. Chhandashri Bhattacharya als Sportgetränk zu empfehlen. Nur bei sehr starkem Schwitzen mit hohem Salzverlust solle es mit Natrium angereichert werden.
Auch das US-amerikanische «Institute for Cancer
Research» in Washington bestätigt die regulierende
Wirkung von Kokoswasser auf den Wasserhaushalt
des menschlichen Körpers. Mit seinem hohen Gehalt
an Vitamin C und Magnesium sowie anderen Mineralstoffen,
Spurenelementen und Enzymen sei es ein
wirklich gesundes Getränk. Wer mit Kokoswasser kalorienreiche
Süßgetränke ersetze, könne damit auch
abnehmen. Für die vielen weiteren dem Kokoswasser
nachgesagten Wirkungen gibt es dem Institut zufolge
jedoch noch nicht genug wissenschaftliche Beweise.
Bereits 2004 fand im Rahmen der sogenannten Lanserhofstudie der Universität Innsbruck eine Untersuchung von Kokoswasser im Rahmen einer F. X. Mayr-Kur statt. Demnach wirkt Kokoswasser harnsäuresenkend, entgiftend und basenbildend. 2005 hat eine Studie der Westindischen Universität in St. Augustine, Florida, die blutdruckregulierende Wirkung von Kokoswasser bestätigt. Allerdings handelte es sich in beiden Fällen um kleinere Kurzzeitstudien mit nur wenigen Teilnehmern. Die große Herausforderung bei wissenschaftlichen Untersuchungen sei der sich stark verändernde Gehalt an Inhaltsstoffen während des Reifungsprozesses: Zu diesem Ergebnis kam 1993 die Universidade Federal de Sergipe im brasilianischen São Paulo.
Auch wenn die Wissenschaft bisher nur einen Teil der guten Eigenschaften belegen konnte, die dem Kokosnusswasser nachgesagt werden – gesund ist es wohl schon, denn auch im Ayurveda kommt es zum Einsatz. Laut Nicola Menges von der Maharishi- Ayurveda-Privatklinik im rheinland-pfälzischen Bad Ems hat frisches Kokoswasser folgende Eigenschaften: Es ist leicht verdaulich und wirkt euphorisierend, kühlend und Pitta ausgleichend.
Frisches Kokoswasser werde im Ayurveda vor allem bei folgenden Beschwerden angewendet: bei Flüssigkeitsverlust und um Elektrolyte ins Gleichgewicht zu bringen, bei Gastritis, Durchfall und Hitzewallungen, ebenso bei allen Arten von Entzündungen, insbesondere bei Entzündung der Harnblase und Brennen beim Wasserlassen.
Die wichtigsten Elektrolyte im Kokoswasser haben einen ähnlichen Salz- und Nährstoffgehalt wie menschliches Blutplasma, es ist isotonisch. Außerdem ist das Wasser absolut keimfrei, solange die Kokosnuss nicht geöffnet wird – eine Seltenheit in tropischen Gegenden. Wegen dieser Eigenschaften wurde während des Zweiten Weltkriegs Verletzten an der pazifischen Front Kokoswasser als Blutplasma-Ersatz in Infusionen gegeben. Auch Urlauber, die in die Tropen reisen, wissen die Eigenschaft der Keimfreiheit zu schätzen: Überall dort, wo es kein sauberes Trinkwasser gibt, ist Kokoswasser ein ebenso leckerer wie sicherer und dabei gesunder Ersatz.
Auf Sri Lanka nennen die Menschen die Kokospalme «Baum des Lebens», weil alle ihre Teile verwendet werden können: Mit den Blättern werden Dächer gedeckt, Matten, Körbe und Raumteiler geflochten sowie Besen gebunden; das robuste Holz ist begehrtes Baumaterial, die Schale des Fruchtkerns dient zum Feuermachen; aus den Fasern des Stamms entstehen Seile; der Saft im Stamm ist Grundlage für Palmwein, -honig und -essig; die Blüten geben einen sirupähnlichen Saft ab, der zu Schnaps vergoren wird; und das Palmherz ist teure Delikatesse.
Das Fruchtfleisch der reifen Kokosnuss dient vor allem zur Gewinnung von Fett: Dieses findet sich je nach Verarbeitung in Bratöl, Kosmetik oder Dieselkraftstoff. Nicht nur im Wellnessbereich sind die Kokospalme und ihre Früchte also wahre Tausendsassas.
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