Kinder, chronisch Kranke und ältere Menschen haben häufiger ein schwaches Immunsystem: Bei Kindern muss es erst lernen und reif werden, bei Senioren wird es mit zunehmendem Lebensalter weniger effektiv, und bei chronisch erkrankten Menschen ist eine Immunschwäche oftmals Begleiterscheinung der Grunderkrankung. Bei Menschen im jungen oder mittleren Lebensalter sollte die körpereigene Abwehr perfekt trainiert und fit für alle Lebenslagen sein. Ist das nicht der Fall, liegt es meist am Lebensstil. Aber es gibt auch bei Jüngeren Ausnahmen – zum Beispiel bei schweren Eingriffen und bestimmten Erkrankungen.
Autorin: Dr. Claudia Rawer
Ein häufiges und recht sicheres Anzeichen für ein geschwächtes Immunsystem ist eine erhöhte Anfälligkeit für Infekte. Funktioniert die körpereigene Abwehr nicht gut, haben Bakterien, Viren und Erreger anderer Arten leichtes Spiel.
Sie sind oft erkältet, erwischen praktisch jedes Jahr eine Grippe? Auch Magen-Darm-Infekte machen Ihnen häufig zu schaffen? Solche Erkrankungen, oft als «banale Infekte» abgetan, treten bei Menschen mit einer Immunschwäche deutlich häufiger auf. Man spricht dann von einem erworbenen oder sekundären Immundefekt – im Gegensatz zu einer angeborenen (primären) Immunschwäche.
Sie fühlen sich auch ohne konkrete Infektionserkrankung oft schlapp und abgeschlagen? Sie können sich oftmals nur schwer auf Ihre Aufgaben konzentrieren? Auch das kann an einer geschwächten Abwehrkraft liegen.
Die häufigsten Anzeichen für ein schwaches Immunsystem sind also
Wie man lebt und für sich sorgt – das spielt eine grosse Rolle für die Stärke des Immunsystems. Doch können auch chronische Erkrankungen die körpereigene Abwehr schwächen, entweder aufgrund der Erkrankung selbst oder durch die Einnahme von Medikamenten, die zur Heilung/Linderung eingesetzt werden. Insbesondere schwere chronische Erkrankungen können das Immunsystem schwächen, z.B.
Durch eine Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus HIV wird das Abwehrsystem des Körpers direkt geschädigt. Im Endstadium, indem die Erkrankung als AIDS bezeichnet wird, sind die Patienten überaus anfällig für Infektionen und entzündliche Prozesse. Bei Menschen mit gesundem Immunsystem sind solche Infekte selten und werden in der Regel von der körpereigenen Abwehr gut pariert. Bei AIDS-Kranken verlaufen sie lebensbedrohlich und führen schliesslich zum Tod.
Auch Krebserkrankungen, die die Immunzellen selbst betreffen, z.B. Leukämie und Lymphdrüsenkrebs (Lymphom) beeinträchtigen die Immunabwehr schwer.
Bei verschiedenen schweren Erkrankungen wird das Immunsystem durch Medikamente künstlich unterdrückt (Immunsuppression). Das geschieht bei Autoimmunerkrankungen (wenn das Immunsystem so gestört ist, dass es sich gegen den eignen Körper richtet), beispielsweise rheumatoide Arthritis, multiple Sklerose, Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Mit der Immunsuppression soll in solchen Fällen das fehlgeleitete Verhalten der Körperabwehr eingeschränkt werden.
Nach schweren Operationen kann das Immunsystem zeitweilig geschwächt sein. Das Ausmass der Beeinträchtigungen hängt vom Allgemeinzustand der Patienten und der jeweiligen OP-Nachbehandlung ab. Meist erholt sich das Immunsystem innerhalb weniger Wochen.
Nach einer Transplantation erhalten Patienten Medikamente zur Unterdrückung der körpereigenen Abwehr. So soll verhindert werden, dass das Immunsystem das verpflanzte Organ angreift und abstösst. Solche Immunsuppressiva müssen meist lebenslang eingenommen werden.
Bei Krebserkrankungen können Chemotherapien bzw. Bestrahlung die körpereigene Abwehr schwächen. Bei einer Chemotherapie wird die Immunabwehr abhängig vom verwendeten Medikament, der Höhe der Dosis und der Anzahl der Behandlungen vorübergehend geschädigt. Bei einer Strahlentherapie (Radiotherapie) werden die Krebszellen so geschwächt, dass sie absterben, während sich die gesunden Körperzellen regenerieren. Wird dabei das blutbildende Knochenmark ebenfalls bestrahlt, kann auch die Immunabwehr beeinträchtigt sein.
Nach einer Chemo- oder Strahlentherapie erholt sich das Immunsystem in der Regel innerhalb einiger Wochen. Bei älteren Patientinnen und Patienten und solchen, deren Immunsystem durch andere Faktoren geschwächt ist (Allgemeinzustand, Mangelernährung, weitere Erkrankungen u.ä.) kann es länger dauern.
Sollten Sie aufgrund einer Erkrankung oder einer Behandlung (z.B. Krebstherapie, Chemotherapie, Corisonbehandlung u.ä. ) unter einer Immunschwäche leiden, sollten Sie sich immer mit der behandelnden Ärztin oder dem jeweiligen Spezialisten absprechen.
Alle bisher genannten Symptome sind nur Hinweise. Sollten Sie den Verdacht haben, dass Ihr Immunsystem stark beeinträchtigt ist, können Sie zunächst einen Selbsttest durchführen.
Erhärtet sich der Verdacht, müssen Sie einen Arzt aufsuchen. Er kann Untersuchungen wie das sogenannte grosse Blutbild durchführen und im Labor den Immunstatus sowie andere Zeigerwerte feststellen lassen. Im Wesentlichen ist dabei die Anzahl der Leukozyten (weisse Blutkörperchen) von Interesse.
Eine Pandemie stellt das Immunsystem vor besondere Herausforderungen – und schafft auch besondere Bedingungen. Eine Folge der Corona-Wellen ist bereits erkennbar: Viele Erwachsene haben, besonders im Winter, deutlich weniger andere Infekte durchgemacht, besonders im Winter, als in früheren Jahren (zur Situation bei Kindern siehe nächster Abschnitt).
So fiel beispielsweise die jährliche Grippewelle in der Saison 2020/2021 fast ganz aus: In Deutschland gab es statt fast 200'000 Infektionen wie im Vorjahr nur einige Hundert Fälle von Influenza. Auch in der Schweiz hat das Coronavirus die Grippewelle 2020/21 ausgebremst. Selbst banale Erkältungen traten viel seltener auf.
Das liegt vermutlich an Schutzmassnahmen gegen Covid-Erkrankungen wie Abstandsregelungen, das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit, Hygienemassnahmen wie häufiges Händewaschen , «soziale Distanz» und die Arbeit im Homeoffice. Auch die Schliessung öffentlicher Einrichtungen – wo sich Viren gerade im Winter gerne ausbreiten – hat wohl eine Rolle gespielt.
Doch das bedeutet nicht, dass das Immunsystem schwächer geworden ist oder schlecht arbeitet.
Bei Erwachsenen ist – bei gesunder Lebensweise – das Immunsystem in aller Regel so gut trainiert, dass es auch durch Zeiten geringerer Herausforderungen nicht geschwächt wird.
Impfungen sind eine bewährte Schutzmassnahme gegen gefährliche Virus-Erkrankungen. Die tödlichen Pocken sind seit 40 Jahren ausgerottet, die grausame Kinderlähmung gilt zumindest in Europa als weitgehend besiegt. Eine Impfung schwächt das Immunsystem nicht. Im Gegenteil, sie versetzt es in die Lage, Antikörper gegen eindringende Erreger zu bilden, auch gegen solche, die es bisher noch nicht gekannt hat.
Nein. Alle bisher entwickelten Impfstoffe gegen das Corona-Virus sind sicher. Sie beeinträchtigen das Immunsystem nicht.
Eine vollständige Impfung bewirkt die Bildung von Antikörpern und spezifischen Immunzellen. Dadurch wird man in der Regel vor einer Erkrankung bei Kontakt mit dem Erreger geschützt. Allenfalls der Wirkungsgrad der Vakzinen ist unterschiedlich.
Da das Corona-Virus sehr veränderlich ist und ausgesprochen schnell mutiert, können die Impfstoffe nicht absolut und in allen Fällen gegen eine Infektion schützen. Gerade bei Menschen mit Vorerkrankungen – z.B. Bluthochdruck oder Diabetes – kann ein sogenannter Impfdurchbruch stattfinden. Jedoch bewahrt die Impfung meist auch dann vor einem schweren oder gar lebensgefährlichen Verlauf.
Eine ganz aktuelle und sehr positive Nachricht: Laut einer Studie der Stanford University stieg die Anzahl der Antikörper nach der zweiten Dosis eines mRNA-Impfstoffs noch stärker an als nach der ersten. Sehr wichtig: Diese zweite Impfung aktiviert Teile der Körperabwehr, die zuvor nur eine untergeordnete Rolle spielten. Insbesondere wird die Wirkung des angeborenen Immunsystems gefördert. Dieses kann schneller auf Erreger reagieren und bietet einen zwar weniger spezifischen, dafür aber breiteren Schutz. Speziell die Zahl der sogenannten Monozyten, Teil angeborenen Immunität, war stark erhöht. Monozyten bilden eine Schutzbarriere gegen sehr unterschiedliche Virentypen. Sie könnten die Wirkung einer Impfung gegen Varianten des Corona-Virus erhöhen und verbreitern.
Nein. Ob man sich mit dem Coronavirus infiziert oder nicht, hängt nicht davon ab, ob die körpereigene Abwehr bestens funktioniert oder geschwächt ist. Ein fittes Immunsystem kann allenfalls helfen, die Erkrankung besser zu überstehen.
Als Mikrobiom bezeichnet man die Gesamtheit aller Bakterien und Viren, die auf und im Menschen leben – von der Haut bis zum Darm. Experten wissen, dass dieses Mikrobiom sehr wichtige Aufgaben des Immunsystems erfüllt. Die Abwehr funktioniert besonders gut, wenn das Mikrobiom vielfältig zusammengesetzt ist – ein Faktor, der wiederum von der Lebensweise abhängt. Einseitige, ungesunde Ernährung schaden ihm, ebenso das Rauchen und zu wenig Aufenthalt an der frischen Luft. Salopp gesagt, hat ein Mensch, der sich während der Pandemie hauptsächlich von Fast Food ernährt hat, seinem Mikrobiom nichts Gutes getan. Der, der anfing, selbst zu kochen und auch mal etwas Neues auszuprobieren, schon. Positiv für unser Mikrobiom dürfte jedoch sein, dass während der Pandemie deutlich weniger Antibiotika eingenommen wurden. In jedem Falle sollte jede Person, die dieses Abwehrsystem während der Corona-Zeiten vernachlässigt hat, es nun pflegen – z.B. mit ballaststoff- und gemüsereichem Essen.
Bei Kindern, vor allem sehr kleinen, kann das schon ein wenig anders aussehen. Infekte, die die Jüngsten normalerweise in den ersten drei Lebensjahren durchmachen, sind während der Pandemie seltener geworden oder sogar ganz ausgeblieben. Viele Eltern kleiner Kinder kennen die sonst bei den Jüngsten häufigen Fieberschübe gar nicht mehr – sie treten auf, wenn ein Infekt das kindliche, noch unentwickelte Immunsystem herausfordert.
Grundsätzlich ist es wichtig, dass sich das kindliche Immunsystem mit Keimen misst und dabei für die Zukunft lernt. Das weiss man unter anderem daher, dass übertriebene Hygiene und zu intensiver Schutz vor Krankheitserregern jeglicher Art Allergien und Autoimmunkrankheiten befördern. Das Immunsystem braucht Trainingspartner, an denen es sich übt. Die Folgen der Pandemie für die Jüngsten sind daher noch nicht absehbar.
Eine Immunschwäche ist keine eigenständige Krankheit, sondern ein Zustand, der die Entstehung anderer Erkrankungen begünstigt. Will man sein Immunsystem fit halten, heisst es also, vorbeugen und die Abwehr präventiv stärken. Die wichtigsten Punkte im Programm «die Abwehrkräfte fit machen» sind die entscheidenden Lebensstilfaktoren Bewegung, Ernährung und psychische Hygiene (z.B. Lebensfreude, Stressabbau, Schlaf usw.)
Sie sollten etwas für Ihr Immunsystem tun, wenn Sie
Das Immunsystem ist einer der wertvollsten Begleiter durchs Leben. Es schützt uns vor Krankheiten und Infektionen verschiedenster Art. Es zu pflegen und zu stärken, liegt in unserem eigenen Interesse.
Warum sich die Mühe machen, gewissenhaft auf einzelne Spurenelemente und Vitamine zu achten, wenn doch in einer ausgewogenen Ernährung das enthalten ist, was Ihr Immunsystem braucht und stärkt? In einer vielfältigen, bunt gemischten und abwechslungsreichen Mischkost findet sich alles, was Ihr Immunsystem stärkt.
Ein wichtiger Ernährungsgrundsatz: Von allem etwas und nichts im Übermass.
Es gibt kein Lebensmittel als solches, das die körpereigene Abwehr schwächt, weder Kaffee noch (Kuh-)Milch, weder Salz noch Zucker sind per se «schlecht». Schlecht ist jedoch ein Übermass: täglich ein Stück Kuchen, jeden Abend Chips vor dem Fernsehen knabbern, jeden Abend Alkohol trinken – das rächt sich irgendwann und nicht nur mit etlichen Kilos zu viel. Halten Sie ein gesundes Gewicht mit den oben aufgeführten Ernährungsgrundsätzen, rauchen Sie nicht und gönnen Sie sich nur gelegentlich ein Bier oder ein Glas Wein, dann bleiben Sie und auch Ihr Immunsystem fit.
Kinder essen in aller Regel, was ihre Eltern essen und was ihnen schmackhaft gemacht wird. Zeigen Sie Ihren Kindern, dass gesundes Essen Freude macht, lassen Sie sie in der Küche mithelfen und nehmen Sie «nein» nicht als auf ewig geltende Antwort. Natürlich darf ein Kind eine Zutat oder ein Gericht ablehnen, aber der Gaumen gewöhnt sich an Neues: Bringen Sie das Abgewiesene immer wieder mal auf den Tisch, ohne gross darauf hinzuweisen und lassen Sie das Kind probieren. Irgendwann greift es dann schon zu.
Fast jeder – Hauptsache, Sie kommen in Bewegung. Übertreiben Sie es nicht, zu viel Sport ist auch nicht gesund. Überfordern Sie sich nicht, weder mit der gewählten Sportart noch mit dem Ausmass. Gewöhnen Sie sich an, sich regelmässig und an der frischen Luft zu bewegen, auch bei Wind und Wetter.
Sie tun sich schwer damit? Fangen Sie klein an. Beginnen Sie beispielsweise damit, sich an zwei bis drei Tagen der Woche eine halbe Stunde zu bewegen – flottes Gehen, Fahrradfahren, Joggen. Steigern Sie diese Aktivitäten, bis sie an mindestens fünf Tagen der Woche eine halbe bis eine Stunde sportlich unterwegs sind.
Noch leichter fällt es, wenn Sie sich Sie sich in der Familie gemeinsam betätigen (z.B. Fahrradausflüge oder Wanderungen mit Partner und Kindern) oder sich mit Freunden zum Sport verabreden.
Setzen Sie sich Ziele: In sechs Wochen will ich viermal pro Woche eine halbe Stunde Fahrrad fahren. Im kommenden Monat will ich jedes Wochenende eine Wanderung mit der Familie unternehmen. Belohnen Sie sich, zum Beispiel mit einem für Sie attraktiven Ziel bei der Wanderung, ob das nun ein Ausflugslokal, eine interessante Burgruine oder die städtische Kunstgalerie ist. Hauptsache, sie bewegen sich – regelmässig und wenn möglich im Freien.
Bei akuten Infekten sollten Sie allerdings auf sportliche Aktivität verzichten.