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Ganzheitliche Krebstherapie

Wie kann die Alternativmedizin helfen?

Krebspatienten, die ergänzend zur Chemo- oder Strahlentherapie bzw. Operation etwas für sich selbst tun möchten, werden in Tumorzentren unterstützt. Diese Entwicklung, die in den USA schon Ende der 1990er-Jahre einsetzte, ist in Deutschland vorrangig der Arbeitsgemeinschaft «Prävention und integrative Medizin in der Onkologie» (PRIO) der Deutschen Krebsgesellschaft zu verdanken.

Die AG wurde auf dem Krebskongress 2010 gegründet, auf dem sich in einer – wenn auch nicht repräsentativen – Umfrage rund drei Viertel der befragten Ärzte für eine Integration der Komplementärmedizin in die Onkologie ausgesprochen hatten. PRIO ist auf den Gebieten Vorbeugung, Ernährung, Sport und komplementäre Therapie tätig und strebt unter Vorsitz von Dr. Jutta Hübner, Onkologin, und ihrem Stellvertreter, dem Radiologen Professor Dr. Franz- Josef Prott, insbesondere ein Ziel an: Ärzte, Pflegekräfte und Vertreter anderer Berufsgruppen im Gesundheitswesen sollen durch zertifizierte Fortbildungsveranstaltungen dazu befähigt werden, offen und wertfrei mit Patienten Fragen zu ergänzender Therapie zu besprechen. Wohlgemerkt, begleitender – keinesfalls ersetzender – Behandlung, die die wissenschaftlichen Grundsätze der Medizin anerkennt.

Komplementärmedizin in der Krebsbehandlung

Damit reagieren Schulmediziner auf verschiedene Entwicklungen: Derzeit nehmen rund 40 Prozent aller Krebskranken zusätzlich zu ihrer konservativen onkologischen Behandlung naturheilkundliche Mittel ein und geben dafür schätzungsweise bis zu sechs Milliarden Euro jährlich aus, unter anderem auch für «Hokuspokus», wie Prott unterstreicht. «Für Wunderheiler, die beispielsweise mit Spontanheilungen werben, die völlig ohne ihr Zutun auch möglich gewesen wären.» Für Scharlatanerie mit Handauflegen, für angebliche Alternativen wie blausäurehaltige Aprikosenkerne, Backpulver oder Chinapräparate voller Schwermetalle.

Die Patienten ließen sich in ihrer Angst auf Versprechungen ein, die sie ohne fachmännischen Rat nicht angemessen einschätzen können, und setzten sich dabei oft auch noch hohen finanziellen Belastungen aus. Um jene Betroffenen nicht allein zu lassen, die Eigenverantwortung übernehmen und Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt bekommen wollen, müssen sich die Schulmediziner folglich als qualifizierte Ansprechpartner anbieten, so die Forderung von PRIO. Und das umso mehr, als man diese Chance, das Vertrauen des Patienten zu gewinnen, früher oft genug durch Ignorieren oder prinzipielles Negieren ergänzender Behandlungen verspielt habe.

Der Wunsch, selbst aktiv zu werden

Dass gerade lebensgefährlich erkrankte Menschen ab einem bestimmten Zeitpunkt das dringende Bedürfnis haben, etwas für sich selbst zu tun, ist absolut verständlich, sagt Prott: Speziell Krebs-Patienten müssten nach der niederschmetternden Diagnose erst einmal von Termin zu Termin hetzen, die ihnen die Ärzte in der erforderlichen Reihenfolge vorgäben. Dabei fühlten sie sich zumindest am Anfang hilflos ausgeliefert. Ein Gefühl, dass vor allem dann aufkomme, wenn die Patientinnen beim Festlegen der konventionellen Behandlung nicht ausreichend in die Entscheidungsfindung eingebunden worden seien.

Doch auch für viele andere Betroffene gilt erfahrungsgemäß: Sobald sie zum Durchatmen kommen, informieren sie sich im Internet, bei Apotheken, Hausärzten, Familienmitgliedern oder im Bekanntenkreis, wie sie sich aktiv einbringen können. Konkret möchten sie mit komplementären Verfahren, so die Erfahrung des Strahlentherapeuten, «Nebenwirkungen der Krebsbehandlung abschwächen, das Immunsystem stärken, den Stress reduzieren, ihre Lebensqualität verbessern, ein Rezidiv verhindern oder den Krebs bekämpfen».

Einsicht bei der Schulmedizin ...

Der typische Nutzer ist übrigens weiblich, an Mammakarzinom oder gynäkologischem Tumor erkrankt, sozial eher höher gestellt, gebildet und meist durch Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen und Internet gut informiert. Brustkrebspatientinnen greifen mit bis zu 91 Prozent zu Begleit-/alternativen Heilmitteln. Ein Umstand, der sich nicht zuletzt damit erklärt, dass relativ viele der betroffenen Frauen stark unter den Nebenwirkungen einer Antihormontherapie leiden.

Auch wenn die Diagnose niederschmetternd und die Krankheit keinesfalls zu unterschätzen ist: Gerade bei häufigen Tumorarten wie Haut-, Brust-, Darm- oder Prostatakrebs haben sich die Heilungschancen heute stark verbessert. Foto: dreamstime/ Monkey Business Images

Deshalb entschieden sich einige auch ausschließlich für alternative Verfahren, ohne ihren Entschluss mit Schulmedizinern zu besprechen, zumal deren Ablehnung aus Prinzip bisher so gut wie sicher war. Nicht zuletzt diesen Frauen müssen Ärzte diese Fragen beantworten können: «Was nützt das Mittel mir? Kann es schaden? Wie passt es zu meiner Therapie?»

... und Offenheit beim Patienten

Für die Qualifikation von Onkologen in punkto Naturheilkunde gibt es übrigens einen weiteren zwingenden Grund: Die Inhaltsstoffe können direkte Neben- oder Wechselwirkungen haben und eine konservative Therapie beeinflussen, beispielsweise die Verstoffwechselung von Chemotherapeutika in der Leber schwächen oder verstärken. Absprachen mit dem behandelnden Arzt sind folglich unerlässlich.

Prott verdeutlicht die Wechselwirkung an einem konkreten Fall aus seiner Praxis, in dem ein bekanntes pflanzliches Antidepressivum eine Rolle spielte: «Wir haben bei einer Patientin unerklärlich starke Reaktionen auf die Bestrahlungen festgestellt und erst nach wiederholtem Nachfragen den Grund für die schmerzenden roten Stellen klären können: Die Frau hatte die hochdosierte Johanniskraut-Einnahme für ihr Nervenkostüm nicht erwähnt.

Dieses Präparat kann aber die Lichtempfindlichkeit der Haut verstärken. Nicht zuletzt deshalb sind wir froh, dass Johanniskraut zumindest in bestimmter Dosishöhe inzwischen verschreibungspflichtig ist.»

Forschung tut not

Aus den genannten Gründen unterstützt die PRIO vor allem die bisher in Deutschland eher stiefmütterlich behandelte wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet. Inzwischen geben die rund 150 Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft bereits konkrete Empfehlungen zur «komplementären Medizin», die übrigens auch Ernährung, Bewegung und Entspannungsübungen umfasst.

Anhänger der Phytotherapie werden sich darüber freuen, dass einige ihrer jahrelang als effizient und hilfreich empfundenen Hausmittel keineswegs nur als «Placebo» wirken, sondern nun in ihrer Wirkungsweise erwiesen bzw. speziell untersucht sind.

Was wirkt wann und wie?

Im Folgenden werden einige meist pflanzliche Mittel aus der Naturheilkunde vorgestellt, die besonders häufig zur Vorsorge beziehungsweise Gesunderhaltung sowie zur Behandlung von Krankheiten genutzt werden. Aber auch natürliche Heilmittel können Neben- und Wechselwirkungen haben, die man kennen muss.