Kaninchenfutter, heißt es bei so manchem abwertend und abwehrend, wenn es um grüne Blattgemüse geht. Dabei ist es nun wirklich kein Gras, das uns da vom Teller anlacht – im Gegenteil, es sind feinste Gemüse, die gerade im Herbst und Winter einen guten Teil zu einer gesunden und anregenden Ernährung beitragen.
Claudia Rawer GN 9.14
Zu den grünen Blattgemüsen zählen unter anderem Salate wie Kopf und Eichblattsalat, Pflücksalat, Feldsalat und Rucola, alle Asia-Salate und Zichorien (von alledem auch die roten Sorten!), Kohlarten, Spinat und Mangold, Portulak, der asiatische Pak Choi und natürlich Wildkräuter wie Brennnessel und Löwenzahn. Viele davon kennen wir seit Langem, andere sind erst seit einigen Jahren regelmäßig auf den Märkten zu haben. Alle Arten lassen sich sehr vielseitig zubereiten.
Die ganze Parade – je dunkelgrüner, desto besser – ist gesund fürs Herz-Kreislauf-System, wirkt antioxidativ und gegen Entzündungen, senkt Blutdruck und Cholesterin und verbessert den Blutfluss. Einige Inhaltsstoffe der Grünen vermindern wahrscheinlich das Risiko für mehrere Krebsarten. Sehr wichtig sind die Blattgemüse auch fürs Auge: Sie weisen einen besonders hohen Lutein-Gehalt auf (farblich überdeckt vom grünen Chlorophyll). Lutein kann helfen, die Sehkraft im Alter zu erhalten und eine altersbedingte Makuladegeneration (AMD) zu vermeiden oder eine Verschlechterung zu verhindern.
Gründe genug also, sich am «Kaninchenfutter» so richtig gütlich zu tun. Näher vorstellen wollen wir Ihnen einige grüne Blattgemüse aus den Familien Kohl und Zichorie, die eine Besonderheit aufweisen: Sie enthalten allesamt Bitterstoffe. Bitter? Delikat und reizvoll! Zwar ist die Geschmacksempfindung «bitter» auch ein Warnzeichen vor möglicherweise Giftigem (Beispiel: bittere Mandeln enthalten Blausäure), und wir haben eine angeborene Abneigung dagegen: Säuglinge spucken Bitteres und Saures sofort aus. «Süß» und «Umami», der «Fleischgeschmack», dagegen signalisieren unbedenkliche und gehaltvolle Nahrung.
Doch von der Natur fein dosiert, geben Bitterstoffe Lebensmitteln von Artischocke bis Zitrone erst das gewisse Etwas. Bitteres belebt die Zunge mit Kontrasten: Denken Sie an Pasta mit Butter und Salbei, an Grapefruit mit süßen Erdbeeren, ein Steak mit Löwenzahnsalat, geschmorten Chicorée mit Käse – köstlich, nicht wahr?
Dass nicht nur Giftiges und schwer Verdauliches
Bitterstoffe aufweist, hat schon seinen Sinn. Bitteres
hat nämlich eine durchaus positive Wirkung auf
unsere Stoffwechselprozesse. Früchte und Gemüse
mit feinen Bitternoten enthalten Substanzen, die
Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse anregen, die
Verdauung von Eiweißen, Kohlenhydraten und Fetten
stimulieren, Blähungen vermindern und die
Aufnahme der Vitamine A, B12, D, E und K sowie
von Eisen verbessern.
Bitterstoffen wird zudem
eine kreislauffördernde und gefäßschützende Wirkung
zugeschrieben; bei Asthma und COPD können
sie die Atemwege öffnen.
Trauen Sie sich bitter
Leider ist uns die Lust an der herben Nuance allzu
oft schon abtrainiert worden. Bittere Komponenten
wurden von der Industrie und den Züchtern von
den Tellern und aus den Küchen verbannt. Süß
schmeckt fast jedem – und von Süßem und Mildem
isst man nachgewiesenermaßen mehr, zur
Freude der Produzenten.
Sorten, die man in den Mittelmeerländern schon
seit Jahrhunderten genießt und schätzt, hatten so
nördlich der Alpen oft kaum eine Chance. Kam
doch einmal eine Gemüse oder
Salatsorte in
Mode, die ursprünglich eine Bitternote aufwies,
wurde diese erfolgreich weggezüchtet.
So kommt es beispielsweise, dass der würzigherbe Rucola, die «Wilde Rauke», heute als «Salatrauke» deutlich milder schmeckt und kaum noch die charakteristische Schärfe aufweist.
Grünes Blattgemüse ist fein püriert und mit süßem Obst gemischt besonders als «grüner
Smoothie» beliebt. Selbstgemachte Smoothies können eine feine
Sache sein, besonders für Kinder, wenn
sie so mehr Gemüse essen – notwendig für eine
gesunde Ernährung sind sie nicht. Auf keinen Fall
sollte man sie als alleinige Quelle
für die empfohlenen fünf Portionen
Gemüse nutzen, sondern nur als Ergänzung.
Bei der
Herstellung gehen
doch einige Vitamine
und Ballaststoffe
verloren. Obwohl
sie durchaus den
Kaloriengehalt einer
kleinen Mahlzeit haben
können, sättigen
Smoothies auch schlechter
als Obst und Gemüse,
das wir kauen müssen.
Die Bewohner der Mittelmeerländer
genießen die grünen
Blattgemüse mitsamt
ihren Bitterstoffen
schon seit Jahrhunderten
in purer
Form.
Folgen Sie also lieber
nicht der Anweisung,
die in den
meisten Rezepten gegeben wird, solche Gemüse lange ins Wasser zu
legen oder mit warmem Wasser zu waschen, «um
die Bitterstoffe zu entfernen»! Nicht nur diese für
die Gesundheit unentbehrlichen Stöffchen, sondern
auch andere wertvolle Substanzen wie das wasserlösliche
Vitamin C werden so ausgeschwemmt.
Trainieren Sie Ihren Gaumen lieber darauf, die feinen Geschmacksnuancen und die die Zunge kitzelnden Aromen (wieder) wahrzunehmen. Unsere Geschmackszellen gewöhnen sich an Bitterstoffe. Wer regelmässig Bitteres in die Kost einbaut, empfindet das bald nicht mehr als unangenehm, sondern im Gegenteil als reizvoll und interessant.
Catalogna ist von der Herkunft eine Zichorie. Botanisch
wird sie als eine Varietät von «Cichorium intybus
» bezeichnet (Cichorium intybus L. var. foliosum
Hegi) – was nichts anderes ist als die schöne Wegwarte,
die im Sommer auch bei uns an allen Straßenrändern
ihre blauen Blüten blitzen lässt. Den
gleichen Varietäten-Namen
tragen übrigens auch
Chicorée, Kapuzinerbart (nicht zu verwechseln mit
Mönchsbart), Radicchio und Zuckerhut. Dennoch ist
jede dieser Sorten eine Individualistin mit einem
ganz eigenen Charakter.
Römische Delikatesse
Catalogna wird auch als Blattzichorie oder Vulkanspargel
bezeichnet. Gemüsehändler nennen sie
nach ihrem Aussehen auch italienischer, türkischer
oder Riesen-Löwenzahn,
obwohl sie mit dem hiesigen
Löwenzahn nicht verwandt ist. Und dann gibt
es noch die Puntarelle: Das sind die innen liegenden
zarten Triebspitzen des Gewächses, hellgrüne,
etwa daumendicke Hohlkörper.
Sie gelten vor allem in Rom und dem Latium als
ganz besondere Delikatesse und werden als Salat
oder Gemüse genossen: roh, in hauchdünnen
Scheiben, mit Zitrone, Salz und einem kräftigen
Olivenöl, oder gedünstet mit etwas Knoblauch und
einer pikanten Sardellensauce.
Nicht jede Catalogna-Art eignet sich jedoch für die «Ernte» der Puntarelle, die es in Rom traditionell von November bis März gibt. In Italien haben sich durch Züchtung und spezielle Vorlieben in den verschiedenen Regionen eine ganze Reihe von Varietäten entwickelt.
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Fein im Geschmack und reich an Kalzium
«Normale» Catalogna mit ihren löwenzahnartigen
Blättern, von italienischen Gastarbeitern in
Deutschland und die Schweiz eingeführt, ist bei uns
nicht winterhart. In unseren Breitengraden findet
man sie entweder von Juni bis September oder
aber – aus Importen – in den Wintermonaten, in
denen grünes Gemüse besonders rar ist.
Catalogna-Blätter
werden in Italien hauptsächlich
gedämpft und mit etwas gutem Olivenöl und Salz
gewürzt verzehrt; in Süditalien schätzt man die
Kombination mit Pasta und auch mit Wurst, was
mit den Bitternoten des Gemüses besonders gut
harmoniert.
Catalogna schmeckt würzigfein und leicht herb – eine echte Bereicherung, besonders in Herbst und Winter. Gesund ist Catalogna natürlich auch: Sie enthält die Bitterstoffe Cichorin und Lactucopikrin – gut für Magen, Leber, Galle und Nieren – sowie weitere wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe, viel Vitamin A, etwas C und E, außerdem Kalium und für eine Pflanze sehr viel Kalzium.
Dieses Wintergemüse wird auch als Fleischkraut, Herbstchicorée oder Herbstzichorie bezeichnet; der Name Zuckerhut kommt von seiner tütenförmigen Wuchsform, hat jedoch nichts mit seinem Geschmack zu tun. Im Gegenteil, das Kraut enthält ebenfalls den Bitterstoff Lactucopikrin und schmeckt herbfrisch und würzig. Ursprünglich kommt diese Zichorie aus Italien, Südfrankreich, Österreich und aus dem Tessin. Heute kennt man Zuckerhut auch in Deutschland und der gesamten Schweiz.
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Geerntet wird er bis November, danach ist er als Lagergemüse erhältlich. Zuckerhut wird oft als Salat serviert, ähnlich wie Endivien, doch ist die Zubereitung als Gemüse ebenso fein und viel variantenreicher. Gedünsteter Zuckerhut kann beispielsweise mit Balsamico, Limettensaft und Chili abgeschmeckt, mit Käse überbacken oder mit Kartoffeln und etwas Schinken als Auflauf zubereitet werden. Ebenso wie sein naher Verwandter Radicchio/Cicorino kann er gedünstet, gebraten oder in Lasagne und Risotto verwendet werden.
Wie die Catalogna ist der Stängelkohl (Brassica rapa var. cymosa), inzwischen bekannter unter dem Namen Cima di Rapa, ein gebürtiger Italiener. Er gilt in Italien und Portugal als typisches Wintergemüse und gehört in das bekannteste Pastagericht Apuliens, die «Orecchiette mit Cima di Rapa», und als Beilage zu «Bollito misto», dem traditionellen Fleischtopf Norditaliens. Gerne wird er gedünstet, mit Olivenöl, Schalotten, Salz und Pfeffer gewürzt und mit gerösteten Brotwürfelchen und gehobeltem Parmesan angerichtet, oder gratiniert.
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In der Schweiz ist Cima di Rapa inzwischen recht bekannt und wird auch in kleinerem Maßstab angebaut. In Deutschland und Österreich ist er eher als Delikatesse auf Wochenmärkten zu finden, oder unter dem Namen «Rappa» beim türkischen Gemüsehändler. Cima di Rapa schmeckt aromatisch und ganz dezent bitter – das Gemüse für alle, die Brokkoli ein wenig langweilig finden! Gegessen werden die zarten Blütenknospen, die Blätter und auch die Stiele. Die Blätter sollten dunkelgrün, die Knospen geschlossen und ohne gelben Blütenansatz sein.
Die Bitterstoffe des Cima di Rapa
stammen aus Polyphenolen, die den Blutdruck und
das Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten
senken.
Außerdem ist Stängelkohl reich an Mineralstoffen,
Karotin und Vitamin C.
Karriere Für uns ist er natürlich kein Unbekannter, aber Grün- oder Federkohl darf einfach nicht unerwähnt bleiben, wenn es um grüne Blattgemüse geht. In den USA hat er inzwischen geradezu Furore gemacht. Das «New York Magazine» nennt Grünkohl den Superhelden unter den Gemüsen, und die «New York Times» schreibt: «Vergessen Sie Kaviar – ein bescheidener Grünkohlsalat ist das angesagte Essen.»
Tatsächlich verspeisen die Amerikaner das pikantbittere Kohlgewächs gerne roh, zum Beispiel fein geschnitten und mit Zitrone, Chili und Minze angemacht. Aber auch gekocht wird das gesunde Grün fantasievoll serviert: in Bohnensuppen, mit Pasta und sonnengetrockneten Tomaten, mit Kichererbsen, in Teigtaschen oder frisch gedünstet mit Kokosmilch, Limone und Ingwer. Das klingt doch nach herrlicher Abwechslung auch für unseren winterlichen Speiseplan.
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Federkohl enthält besonders viel Vitamin C, aber auch A- und B-Vitamine, zudem viel Folsäure und einen für ein Gemüse sehr hohen Kalziumanteil. Forscher aus dem deutschen Jena haben herausgefunden, dass gerade Grünkohl besonders gut für den Erhalt der Sehkraft ist: Er enthält sehr reichlich Lutein und Zeaxanthin, Stoffe, die einer Makula-Degeneration vorbeugen und auch das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
Für Sie kreiert: Catalogna-Suppe
mit Erbsen und Ziegenfrischkäse oder der Klassiker:
Pasta mit Cima di Rapa.
Rezepte von
Joannis Malathounis
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